Anlässlich der (Wieder-) Vorlage eines Grundsatzpapiers der CDU "Chancen@Deutschland" zur "Internetstrategie für die Politik" erklärt der Beauftragte für Neue Medien der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss:
Auch mit der neuen Version ihres Strategiepapiers zur Internetpolitik dokumentiert die Union erneut ihr Scheitern zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Der Bundesvorstand der CDU hat am 03. Juni 2002 die Version 2.0 des unter der Leitung ihres Internetbeauftragten, Professor Thomas Heilmann, erarbeiteten Strategiepapiers "Chancen@Deutschland" beschlossen. Die erste Version 1.0 war bereits aufgrund zahlreicher Ungereimtheiten in der Versenkungen verschwunden, ebenso übrigens wie die Internet-Kommission der CDU selbst. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Kommission wieder als Gesprächspartner für eine zukunftsfähige Internetpolitik zumindest wieder wahrnehmbar ist. Wie lange dies so sein wird, wird aber auch davon abhängen, inwieweit die Internetkommission der CDU kein Debattierklub bleibt, sondern auch Einfluss auf die Unionspolitik in Bund und Ländern hat und diese von der Richtigkeit ihrer Argumente zu überzeugen vermag. Denn: Schaut man sich die tatsächliche Politik der Union in Bund und in den Ländern an, so wird klar, dass diese dem nun vorgelegten Strategiepapier diametral widerspricht und es konterkariert.
Während der Bundesrat auf Initiative des Landes Bayern versucht, den Datenschutz und das Grundrecht auf unbeobachtbare Kommunikation beinahe gänzlich auszuhebeln und fordert, alle Telefon-, Mobilfunk-, SMS- und Internetverbindungsdaten auf möglichst unbegrenzte Zeit zu speichern, kritisiert das Strategiepapier der CDU beinahe gleichzeitig die angebliche Absicht der Bundesregierung, die Provider zur Einhaltung einer Mindestspeicherfrist zu verpflichten. Gleiches gilt für die Frage der Verantwortlichkeiten im Internet. Während der Kanzlerkandidat der Union und bayrischer Ministerpräsident, Edmund Stoiber, auf eine generelle Reglementierung des Internet zielt und der Leiter der bayrischen Staatskanzlei, Erwin Huber, noch immer Sendezeitregelungen für das Internet fordert und auf die generelle Verpflichtung der Provider zur zentralen Filterung setzt, gibt sich das Strategiepapier der CDU-Internetkommission weitaus moderner. Darin heißt es richtigerweise, dass die "Zugangsprovider grundsätzlich nicht für die über ihre Anlagen transportierten Inhalte haften" können und dass "Contentprovider im Rahmen zumutbarer Sorgfaltspflichten für die von ihnen angebotenen Inhalte verantwortlich sind". Außerdem müsse dieser Verantwortlichkeit im Rahmen verstärkter Selbstkontrolle Rechnung getragen werden. Diesen Aussagen - und das gilt natürlich nicht für alle, doch für einen großen Teil des Strategiepapiers "Chancen@Deutschland" - kann zweifelsfrei zugestimmt werden. Politisch glaubwürdig wären diese Positionen aber erst dann, wenn die Union aufhört, diese ständig durch ihre tatsächliche Politik in Bund und in den Ländern zu konterkarieren. Es kommt der Verdacht auf, dass das Strategiepapier der CDU nicht nur in Wahlkampfzeiten wiedererschienen ist, sondern wohl auch ausschließlich für den Wahlkampf geschrieben wurde. Es wird daher nach der Wahl wohl ebenso schnell wieder in der Versenkung verschwinden, wie bereits die erste Version auch.