Jörg Tauss, MdB


Beitrag Jörg Tauss für Vorwärts BaWü:

Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft

"Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln" - forderte der Dichter Bertolt Brecht bereits 1932 in seiner Radiotheorie. Mit dem Eintritt in die Informationsgesellschaft scheint nun dieser alter Menschheitstraum endlich in Erfüllung zu gehen: Die neuen Kommunikationstechnologien bieten zumindest potentiell die Möglichkeit, alle Gesellschaftsmitglieder in einem übergreifenden Kommunikationsnetz zu vereinigen. Jedoch ist es nicht der Brechtsche Rundfunkapparat, der sich zu einem solchen "großartigen Kommunikationsapparat" gewandelt hat, sondern vielmehr die "Sturzgeburt" eines neuen Mediums, das viele Namen hat: Internet, Datenautobahn oder auch Multimedia.

Kommunikationsmittel und -möglichkeiten bestimmen die Strukturen einer Gesellschaft, sie bestimmen über deren Größe, Reichweite und Stabilität. Kennzeichen der neuen Gesellschaft, die mit dem Terminus "Informationsgesellschaft" etikettiert wird, ist nicht nur das Vorhandensein dieser neuen Medientechniken, Kennzeichen ist vielmehr die erneute Ausdehnung der Reichweite der Gesellschaft aufgrund der globalen Vernetzung. Mit dem Ausbau einer globalen Informations-Infrastruktur entsteht eine Art Marktplatz der globalen Informations-(Welt-)Gesellschaft – ein Marktplatz, auf dem nicht nur mit Waren gehandelt, sondern auf dem auch über Wissen und Werte, über Lebensentwürfe und um die Zukunft der Gesellschaft verhandelt wird.

Die Bilanz dieses "Marktgeschehens" ist offen: Welche Werte und Konzepte sich letztlich durchsetzen, ob demokratische über fundamentalistische, soziale über unsoziale Konzepte siegen werden, ist noch nicht ausgemacht. Als vordringliche Aufgabe der Politik sehe ich es daher an, uns bereits zu Beginn der technologischen Revolution aktiv einzumischen und bei den wichtigen strukturellen Grundentscheidungen, die heute getroffen werden, sozialdemokratische Vorstellungen einzubringen. Die Gestaltung der künftigen Informationsgesellschaft wegen politischer Bequemlichkeit und technischer Unwissenheit allein einigen Unternehmen zu überlassen, wäre für mich dagegen unerträglich.

Der SPD-Bundestagsfraktion ist es in den vergangenen Monaten gelungen, hier innovative und tragfähige Vorschläge zu machen. Unsere Konzepte für mehr Medienkompetenz, Rechtssicherheit und Innovation sind von einer konservativen, technikfeindlichen Mehrheit im Bundestag aber allesamt blockiert worden. Solange "Forschungsminister Rückwärts" die Bildungs- und Forschungspolitik der Bundesrepublik bestimmen kann, wird Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft nicht in die Zukunft, sondern in die Sackgasse führen.

10.09.97 / moe


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