Jörg         Tauss, MdB


Vom perfekten Berlin - Umzug:

Die Umzugsleiden des kleinen Abgeordneten

Alles war perfekt geplant. Die Möbel sollten von Bonn nach Berlin gebracht werden, die Computer angeschlossen sein, die Büros funktionsfähig. Sie sollten - aber sie sind es nicht. Die eigens zum Einräumen engagierte Studentin konnte unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt werden. Denn die Unterteile der Büromöbel stehen noch immer in Bonn. So können auch die Oberteile nicht eingeräumt werden. Aktivitäten zum Umzug der unteren Teile gibt es aber nicht. Schließlich ist der Umzug laut Zeitplan fertig. Dafür gibt es aber für Abgeordnete jede Menge Umzugs-Hotlines, in denen sich stets nicht Verantwortliche wechselseitig Verantwortung zuschieben. Doch nicht nur fehlende Möbel bereiten Kummer. Bis zum Fax-Anschluß (in Berlin können Sie sofort faxen, versprochen) dauerte es "nur" eine Woche. Eine weitere Woche lang funktionierte kein PC. Dann wenigstens einer von zwei. Nach einer weiteren Woche des Wartens erschien ein Mensch mit der Weisung, den PC wieder aus dem Büro des Abgeordneten T. entfernen. Der Einwand, es ginge nicht um die Entfernung sondern lediglich um die (der Bundestagsverwaltung vorbehaltene) Inbetriebnahme, wurde wegen des gegenteiligen Auftrags abgelehnt. Auftrag ist Auftrag. Jetzt geht der PC-aber nicht online - so daß zwischenzeitlich einige Mails ungelesen aufgelaufen sein dürften. Doch auch wenn irgendwann Technik funktioniert, fehlt es dann wieder am Möbel: Zwar machte sich ein studierter Architekt (!!) noch in Bonn daran, die Möblierungsplanung für Berlin vorzunehmen. Doch die gute Idee scheiterte kläglich: In Berlin stand anstelle geplanter Schreibtische dann doch eine Sitzecke. Der Plan, wie das Zimmer möbliert werden sollte, hing wirkungslos an der Tür. Alle Zimmer wurden zunächst, egal wieviel Leute drin sitzen, Architektenplan hin oder her, einheitlich ausgestattet. Zwei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilen sich jetzt so geschwisterlich einen Schreibtisch. Der Schreibtisch des Abgeordneten konnte zunächst gar nicht zusammengebaut werden, weil Aufbautrupp und benötigtes Spezialwerkzeug fehlten. Auch dieser Spezialtrupp fehlt jetzt ganz, weil sein Vertrag abgelaufen ist. Schließlich ist der Umzug zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgeschlossen. Daß er es nicht ist, rührt weder die Bürokraten der Bundestagsverwaltung noch den Aufbautrupp. Der Versuch des Abgeordneten T., stv. Forschungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, im Chaos dennoch frohgemut die Arbeit zum Wohle des Volkes statt Urlaub aufzunehmen, scheiterte an weiteren Kleinigkeiten. In Berlin wird an Abgeordnete keine Post zugestellt. Für ein Gespräch mit Prof. Z. ließ er sich leichtsinnig, den Brief ordentlich mit drei Mark frankiert, die Unterlagen nach Berlin schicken. Doch der heiß erwartete 3,-- DM - Brief ging nicht an den in Berlin zwischen Kisten sitzenden Abgeordneten T. sondern wurde ihm auf Steuerzahlers Kosten, diesmal mit DM 4,40 frankiert, vom Deutschen Bundestag, Ref. Z4 / 12 postwendend nach Hause zurückgeschickt. Dorthin erhielt er jetzt auch die für seine Mitarbeiterin vorgesehene frohe Nachricht, daß demnächst die Kindertagesstätte in Berlin mit Leben gefüllt wird.

Erwachsenentagungen für September können demgegenüber nicht vorbereitet werden, weil in Berlin niemand Raumbestellungen für Herbst entgegennimmt. Die für Bonn Zuständigen sind nicht mehr zuständig. Und die für Berlin Zuständigen sind noch nicht da. Wer bereitet auch mitten im Urlaubsloch August Sitzungen für September vor?

Der Abgeordnete T. hat sich deshalb entschlossen, alle Mitarbeiter(innen) in Urlaub zu schicken und selbst an den Kummerower See zu fahren, nachdem wenigstens die Möbel eines schwedischen Möbelhauses für die Berliner Behausung montiert sind. Von dort wird er geduldig abwarten, bis der perfekteste aller Umzüge vielleicht doch noch abgeschlossen ist. Wie hat doch der Umzugsbeauftragte im SPIEGEL so treffend festgestellt: Der Verteidigungsausschuß könnte im Krisenfall sofort tagen. Das beruhigt. Der Umzugsbeauftragte ließ auch mitteilen, daß er jetzt ohnehin nicht mehr zuständig ist. Schließlich ist der Umzug abgeschlossen.


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