Jörg Tauss, MdB


Anforderungen des E-Commerce an diePolitik"

Statement zur Podiumsdiskussion "Anforderungen des E-Commerce an die Politik" des 3. Multimedia-Symposiums "Aufbruch in die Märkte des neuen Jahrtausends" am 08. Februar 2000 in Berlin

"Kein Stein wird auf dem anderen bleiben" - mit diesen Worten leitete die Enquete-Kommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" des 13. Deutschen Bundestages ihren im Sommer 1998 vorgelegten Schlussbericht ein. Der Bericht setzt sich in der Analyse mit den immensen Chancen sowie den nicht zu unterschätzenden Risiken auf dem Weg in die globale Wissens- und Informationsgesellschaft auseinander und hat in einer Reihe von Empfehlungen an das Parlament konkreten Handlungsbedarf aufgezeigt. Einige dieser Empfehlungen wurden von der neuen Bundesregierung bereits in ihrem Aktionsprogramm zur Zukunft der Informations- und Wissensgesellschaft aufgegriffen, über das bei dieser Tagung sicher auch zu sprechen ist.

Die neuen Medien werden die Gesellschaft in all ihren Teilbereichen kräftig "umkrempeln". Das gilt gerade auch für die Frage, wie wir in Zukunft unsere Wirtschaft organisieren und arbeiten werden: "Denn das Internet bedeutet weit mehr als nur einen zusätzlichen Vertriebskanal. Es ist eine völlig neue elektronische Welt, die da entsteht. Sie durchdringt Privates wie Berufliches, und sie verändert grundlegend, wie die Gesellschaft sich organisiert und wie die Wirtschaft funktioniert", so beschreibt der Spiegel im Januar 2000 die Online-Revolution (Der Spiegel 3/2000: 92ff.). Vor diesem Hintergrund sind Tagungen wie diese, die die Anforderungen der neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten an die Politik - hier im Zusammenhang mit dem Entstehen "Elektronischer Märkte" und der wachsenden Bedeutung des E-Commerce - ausdrücklich zu begrüßen.

In diesem kurzen Statement möchte ich auf diese Ausgangsbedingungen, die gegenwärtigen Aktivitäten seitens der Politik angesichts dieser Herausforderungen und auf noch offene Punkte eingehen:

  1. Ausgangsbedingungen in Deutschland: Versäumnisse der Medien- und Kommunikationspolitik - Anschluß ans Informationszeitalter nur bedingt erreicht;
  2. Ausgestaltung des Rechtsrahmens und Schaffung einer vertrauenswürdigen Sicherungsinfrastruktur für die Informations- und Wissensgesellschaft und damit auch für die neu entsehenden elektronischen Marktplätze
  3. Noch offene Probleme und Fragestellungen - Herausforderungen an die Politik.

Plädoyer für eine neue, zukunftsgerichtete Medien- und Kommunikationspolitik

Wenn man sich in wenigen Tagen auf der CeBIT umschauen wird, so kann man zu Recht zu dem Eindruck gelangen: Die Informations- und Wissensgesellschaft hat schon längst begonnen und Deutschland ist hier bei diesem knallharten weltweiten Wettbewerb auf gutem Wege. Fragt man dagegen, ob und inwieweit in Deutschland der Weg in diese neue Gesellschaftformation geebnet (oder auch nur darauf vorbereitet) ist, so ergibt sich hinsichtlich der medien- und kommunikationspolitischen Aktivitäten und Voraussetzungen in Deutschland ein noch nicht ganz so zufriedenstellendes Bild:

Läßt man nämlich die medien- und kommunikationspolitischen Aktivitäten der letzten Jahre Revue passieren, so fällt die Bilanz eher dürftig aus: Noch immer ist es in Deutschland noch nicht gelungen, ein tragfähiges und zukunftsgerichtetes Konzept einer umfassenden Medien- und Kommunikationsordnung zu entwerfen, das den Anforderungen einer globalen Wissens- und Informationsgesellschaft angemessen wäre. Wir leben im Zeitalter der Konvergenz. Technologische, rechtliche und soziale Räume, die sich bisher eigenständig entwickelt haben, wachsen zusammen. Informationstechnologie, Telekommunikation und die Rundfunk- und Fernsehtechnologie werden wohl in absehbarer Zeit zu einen umfangreichen multimedialen Angebot verweben. Aber nicht nur die Technologien rücken zusammen, auch die Anbieter und Nutzer der Technologien finden sich wieder in einem gemeinsamen Beziehungsgefüge, dessen äußere Begrenzungen lediglich auf das Globale festgelegt sind: die globale Wissens- und Informationsgesellschaft - eine Entwicklung, die immense Herausforderungen an das politische System mit sich bringt, genauso wie die gigantischen Konzentrations- und Verschmelzungsprozesse in der Wirtschaft. Konvergenz haben wir derzeit stärker auf den Märkten als in der Technik, wo vor allem auf globalen Märkten zusammenwächst, was früher nie zusammen gehörte.

In Deutschland haben wir diese Situation je nach Standort bestaunend, kritisierend, argwöhnisch, manchmal auch ängstlich oder euphorisch zur Kenntnis genommen, gleichwohl aber bislang an den vertrauten "Schachtelpolitiken", wie dies Peter Glotz nannte, festgehalten. So wurde in den vergangenen Jahren versucht, mit alten Konzepten auf neue Herausforderungen zu reagieren, indem man den neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten tradierte Medienordnungskonzepte einfach überstülpte, obwohl sich diese bereits bei den "klassischen" Medien zunehmend als fraglich erwiesen.

Mit den bekannten Problemen, die ich vor diesem Kreis wohl nicht umfassend ausführen muß:

Wichtige Fragestellungen, die für die sich entfaltenden Wissens- und Informationsgesellschaft und für ihre demokratische Verfassung oder die ökonomische Entwicklung oft von fundamentaler Bedeutung sind, sind bei dieser Herangehensweise oft gar nicht erst in den Blick gerückt. So blieben beispielsweise die Schaffung einer angemessenen Sicherungsinfrastruktur oder die Fragen der IT-Sicherheit und des Datenschutzes viel zu lange unterbewertet - das Jahr-2000-Problem, auch wenn es glimpflich ausgegangen ist und so wahrscheinlich ein weiteres Problem erzeugen wird, und die Versäumnisse in Deutschland durch Wirtschaft und Politik sind hierfür wohl das prominenteste Beispiel.

Zu den wichtigsten Aufgaben, mit denen sich eine verantwortungsvolle Politik konfrontiert sieht - und ein großer Teil hiervon wurde von der Enquete-Kommission "Zukunft der Medien" der letzten Legislaturperiode im Konsens als Empfehlung an das Parlament verabschiedet - zählen insbesondere:

  1. Die Einsicht, daß die Schaffung einer IT-Sicherungsinfrastruktur eine der wichtigsten Herausforderungen an die Politik bei der Gestaltung der Wissens- und Informationsgesellschaft darstellt. Dies gilt sowohl mit Blick auf die notwendige Entfaltung neuer Märkte als auch mit Blick auf die Bewahrung der Grundrechte. Mit dem Gesetz zur Einführung einer digitalen Signatur und mit den Eckwerten zur zukünftigen Kryptopolitik hat Deutschland dahingehend wichtige erste Schritte unternommen.
  2. Die neuen Technologien erzwingen geradezu eine umfassende Reform und Modernisierung des Datenschutzrechtes und anderer Regelungswerke. Hierbei könnte folgende Entwicklung sehr hilfreich sein: Die Modernisierung des Datenschutzrechtes erweist sich nicht nur mit Blick auf die Bewahrung von Grundrechten erforderlich, sondern auch zur Sicherstellung des Standortes Deutschland. Denn: Datenschutz (und Datensicherheit) wird zunehmend zu einem entscheidenden Qualitätsmerkmal der neuen Angebote und damit - zumindest mittelfristig - zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil!
  3. Die Frage des Informationszugangs wird darüber entscheiden, ob es eine neue Spaltung der Gesellschaft geben wird.
  4. Um noch einige Schlagworte für die Diskussion zu nennen: Telekommunikationsrecht und Sprachtelephonie, ungetaktete Tarife bei der Nutzung des Internet, Verunsicherung von Bürgern und Wirtschaft durch überzogene Überwachungsregelungen, etc.

Als Fazit bleibt damit festzustellen, daß die wichtige Aufgabe der Politik, einen angemessenen Rahmen für die Informations- und Kommunikationsordnung der Zukunft zu schaffen, bisher nur bedingt erfüllt war. Die neue Bundesregierung hat damit gerade im Bereich der Medien- und Kommunikationspolitik einen großen Berg Arbeit zu schultern. Einen wichtigen ersten großen Schritt stellt hierbei das Aktionsprogramm "Innovationen und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" dar. Viele angesprochenen Problemfelder wurden in der Analyse des Aktionsprogramm erkannt und als konkrete Zielmarken formuliert. Bleibt schließlich noch zu formulieren, daß dieses Aktionsprogramm als ein entwicklungsoffener Prozeß konzipiert ist, wobei ich gerade an dieser Stelle um Mitarbeit und Unterstützung werben möchte.


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