Jörg Tauss, MdB


Software-Patentierung - wirtschafts- und gesellschaftspolitisch fragwürdig und unverantwortbar

Zu den gegenwärtigen Bestrebungen seitens des Europäischen Patentamtes (EPA), eine weitreichende Erweiterung der Patentierbarkeit von Softwareprodukten durchzusetzen, erklärt der Beauftragte für Neue Medien der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, MdB:

In den nächsten Wochen soll auf Vorschlag und Beschluss des Europäischen Patentamtes (EPA) eine weitreichende Erweiterung der Patentierbarkeit von Softwareprodukten und vergleichbaren Komponenten durchgesetzt werden. Ein erster Schritt ist bereits für die erweiterte Verwaltungsratsitzung am EPA vom 05.-08. September 2000 vorgesehen. Die fundamentale Änderung des europäischen Patentrechtes soll schließlich auf einer internationale Konferenz Ende November in München beschlossen werden.

Hauptgegenstand des EPA-Vorschlages bildet die Streichung des Artikel 52 EPÜ (Europäisches Patentübereinkommen) und damit aller derzeit bestehenden Patentierungsbeschränkungen. Ersetzt werden sollen diese allein durch den Hinweis, dass patentierbare Produkte und Verfahren 'technisch' sein müssten, wobei die Definition von 'Technizität' bewusst offen und dynamisch gestaltet und damit dem Europäischen Patentamt selbst überlassen werden soll.

Mit der Streichung des Art. 52 EPÜ fallen in der Praxis sämtliche europäischen gesellschafts- und auch wirtschaftspolitisch begründeten Schranken der Patentierbarkeit ersatzlos weg. Eine wirtschaftliche und politische Notwendigkeit und Wünschbarkeit von generellen Software-Patentierungen ist weder nachgewiesen noch umfassend diskutiert. Auch eine Einschätzung ihrer wirtschaftspolitischen und gesellschaftlichen Auswirkungen steht noch immer aus.

Kleine und mittlere Unternehmen, die im Softwarebereich - und gerade im Bereich der auch von der Bundesregierung unterstützten Open-Source-Produkte - eine wichtige Innovationsfunktion wahrnehmen, würden durch die grenzenlose Patentierbarkeit erhebliche Rechtsunsicherheit erfahren und in ihrer Existenz gefährdet. Es besteht die Gefahr, dass in Europa die zukunftsweisenden Entwicklungen der Open-Source-Software im Keim erstickt werden, ohne dass die damit verbundenen Potenziale genutzt werden.

Dabei hat gerade die Debatte um die fehlende IT-Sicherheit (z.B. "I-love-you-Viru"s) gezeigt, dass Open-Source-Software mehr Anwendungs- und Übermittlungssicherheit bieten kann. Europa hat in diesem Bereich die Möglichkeit, einen zukunftsträchtigen eigenen Weg einzuschlagen und sich so Wettbewerbsvorteil gegenüber Silicon Valley zu erstreiten. Mit der grenzenlosen Patentierbarkeit von Softwareprodukten wäre die Chance einer Innovations-Oase im Bereich der Open-Source-Software vertan.

Auch die involvierten Ministerien haben die Problematik einer grenzenlosen Patentierung von Software offenbar erkannt. Deutschland, Großbritannien und die französische EU-Ratspräsidentschaft sollten gemeinsam innerhalb der Europäischen Patentorganisation auf eine Ausklammerung der Problematik Patentierung von Computerprogrammen "als solchen" aus dem ersten Revisionspaket für das EPÜ, das im November beschlossen werden soll, hinwirken. In Europa dürfen nicht durch ein vorschnelles Akzeptieren von Software-Patentierungen vollendete Tatsachen geschaffen werden, ohne dass es auch eine gesellschaftliche Diskussion über mögliche negative Folgeprobleme gegeben hat.


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