Jörg Tauss, MdB


Jörg Tauss, MdB
Rede beim ZVEI/VDMA zum Abschluß der CeBIT'99 am 23. März 1999 in Hannover:
- Es gilt das gesprochene Wort -

Wissens- und Informationsgesellschaft - Herausforderungen an die Politik

Sehr geehrte Damen und Herren,

auf die CeBIT'99 bin ich erstmals auch mit einem Handelsauftrag gefahren: Der Rektor einer Grundschule in Zeutern hat mir aufgetragen, für seine Schule für 5.000.- DM so viele gebrauchte PC's wie möglich zu beschaffen. Ungeachtet meiner Bitte an Sie, diesen Großauftrag möglichst wohlwollend zu prüfen, ist an dem Vorgang bemerkenswert, daß heute nicht mehr darüber diskutiert wird, ob Kinder und Jugendliche mit PC's ausgestattet werden sollen oder nicht - Stichwort war ja das Ende aller Pädagogik durch den Computer - sondern auf welchen Wegen dies geschieht. Hier habe ich mir vor zwei Jahren in meiner Heimatzeitung noch wahre Leserbriefschlachten mit Lehrerinnen liefern müssen.

In der Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung heißt es folgerichtig (S. 31, letzter Absatz, ich zitiere): "Die Bundesregierung strebt eine Bildungspartnerschaft aus Bund, Ländern, Gemeinden und Wirtschaft an, um die Bildungseinrichtungen mit zeitgemäßer Informations- und Kommunikationstechnik auszustatten."

Es wäre jetzt an der Zeit, diesen Begriff "Bildungspartnerschaft" gemeinsam auszufüllen. Auf der Zugfahrt gestern hierher las ich in einer münsterländischen Tageszeitung einen Kommentar, der überschrieben war mit den Worten: "Kinder auf die CeBIT!" Keine schlechte Idee, nimmt man "kulturelle Medienkompetenz" als Schlüsselqualifikation der Wissens- und Informationsgesellschaft ernst. Nur: Hätten Sie sich einen solchen Kommentar vor zwei, drei Jahren vorstellen können, als das Internet - auch aufgrund einer etwas aufgeregten Medienberichterstattung - regelmäßig mit einer "Schmuddelecke" gleichgesetzt wurde?

Das größte Investitonsprogramm in Kinder und Jugendliche und in einen Schub für Telearbeit läge übrigens darin, wenn Sie mit der IG Metall einen Tarifvertrag über die kostenlose private Überlassung von PC's an Ihre Mitarbeiter aushandelten. Ich sage Ihnen zu, dann alles zu tun, um mit den Finanzbeamten die steuerliche Frage des geldwerten Vorteils und der Schenkungssteuer positiv zu regeln. Einen größeren Schub könnten wir kaum hinbekommen als mit solchen flächendeckenden Aktionen bis hin zum Computerführerschein.

Zunächst möchte ich mich natürlich ganz herzlich für die Einladung zur Abschlußveranstaltung des ZVEI / VDMA hier auf der CeBIT'99, die erwartungsgemäß wieder eine Messe der Rekorde war. Ich freue mich für Sie als Aussteller über den wiederum riesigen Besucheransturm und hoffe, daß Sie mit den Geschäftsergebnissen zufrieden sein können.

Gerade vor dem Hintergrund, daß die volkswirtschaftliche Bedeutung Wachtumsbranche Informations- und Medienwirtschaft nicht nur in Deutschland die Bedeutung beispielsweise der Automobilindustrie erreicht hat, sehen Sie jetzt vermutlich mit großem Interesse, wie sich die neue Bundesregierung hier positionieren will, beispielsweise bei der Kryptodebatte, und welche Schwerpunkte sie setzen wird. Deshalb haben Sie mich als "kleinen" Abgeordneten wohl auch eingeladen. Damit ist auch das Themenfeld dieses Beitrages abgesteckt, in dem ich auf folgende drei Punkte eingehen will:

  1. Ausgangsbedingungen in Deutschland: Versäumnisse der Medien- und Kommunikationspolitik - Anschluß ans Informationszeitalter nur bedingt erreicht;
  2. Anstehende Probleme: Empfehlungen der Enquete-Kommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" auch als Grundlage für weiteres Vorgehen;
  3. Aktivitäten, Vorhaben und mittelfristige Planung einer SPD-geführten Bundesregierung.

Plädoyer für eine neue, zukunftsgerichtete Medien- und Kommunikationspolitik

Auch wenn man auf einer Messe der Superlative, wie sie die CeBIT'99 beinahe erwartungsgemäß wieder einmal darstellt, einen anderen Eindruck gewinnen könnte, ergibt sich hinsichtlich der medien- und kommunikationspolitischen Aktivitäten und Voraussetzungen in Deutschland ein noch nicht ganz so zufriedenstellendes Bild:

Läßt man nämlich die medien- und kommunikationspolitischen Aktivitäten der letzten Jahre Revue passieren, so fällt die Bilanz eher dürftig aus: Noch immer ist es in Deutschland noch nicht gelungen, ein tragfähiges und zukunftsgerichtetes Konzept einer umfassenden Medien- und Kommunikationsordnung zu entwerfen, das den Anforderungen einer globalen Wissens- und Informationsgesellschaft angemessen wäre. Noch immer fehlt es an Leitbildern und Visionen für die Gestaltung - und nicht nur für die politische Ausgestaltung - dieser neuen Gesellschaftsformation!

Wir leben im Zeitalter der Konvergenz. Technologische, rechtliche und soziale Räume, die sich bisher eigenständig entwickelt haben, wachsen zusammen. Informationstechnologie, Telekommunikation und die Rundfunk- und Fernsehtechnologie werden wohl in absehbarer Zeit zu einen umfangreichen multimedialen Angebot verweben. Aber nicht nur die Technologien rücken zusammen, auch die Anbieter und Nutzer der Technologien finden sich wieder in einem gemeinsamen Beziehungsgefüge, dessen äußere Begrenzungen lediglich auf das Globale festgelegt sind: die globale Wissens- und Informationsgesellschaft - eine Entwicklung, die immense Herausforderungen an das politische System mit sich bringt, genauso wie die gigantischen Konzentrations- und Verschmelzungsprozesse in der Wirtschaft. Konvergenz haben wir derzeit stärker auf den Märkten als in der Technik, wo vor allem auf globalen Märkten zusammenwächst, was früher nie zusammen gehörte. In Deutschland haben wir diese Situation je nach Standort bestaunend, kritisierend, argwöhnisch, manchmal auch ängstlich oder euphorisch zur Kenntnis genommen, gleichwohl aber bislang an den vertrauten "Schachtelpolitiken", wie dies Peter Glotz nannte, festgehalten. So wurde in den vergangenen Jahren versucht, mit alten Konzepten auf neue Herausforderungen zu reagieren, indem man den neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten tradierte Medienordnungskonzepte einfach überstülpte, obwohl sich diese bereits bei den "klassischen" Medien zunehmend als fraglich erwiesen. Mit den bekannten Problemen, die ich vor diesem Kreis wohl nicht umfassend ausführen muß:

Wichtige Fragestellungen, die für die sich entfaltenden Wissens- und Informationsgesellschaft und für ihre demokratische Verfassung oder die ökonomische Entwicklung oft von fundamentaler Bedeutung sind, sind bei dieser Herangehensweise oft gar nicht erst in den Blick gerückt. So blieben beispielsweise die Schaffung einer angemessenen Sicherungsinfrastruktur oder die Fragen der IT-Sicherheit und des Datenschutzes viel zu lange unterbewertet - das Jahr-2000-Problem und die Versäumnisse in Deutschland durch Wirtschaft und Politik sind hierfür wohl das prominenteste Beispiel.

Noch vor einem Jahr, anläßlich der Eröffnung der CeBIT'98, konnten Wolfgang Thierse und ich in einer Pressemitteilung nur resigniert feststellen: "Zur CeBIT'98 präsentiert die Bundesregierung nur Konzepte aus der Vergangenheit".

Bevor ich jetzt also auf die Aktivitäten und Planungen der neu gewählten Bundesregierung eingehe, gestatten Sie mir, kurz auf die m.E. sehr wichtigen Empfehlungen der Enquete-Kommission "Zukunft der Medien" an das Parlament einzugehen, die gerade zu diesen Fragestellungen wichtige Vorschläge enthalten - zumal diese eindeutig die Handschrift der damaligen Opposition tragen, die sich auf diesem Gebiet einen klaren Kompetenzvorsprung erarbeitete.

Empfehlungen der Enquete-Kommission "Zukunft der Medien"

Auf Initiative von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hat der Bundestag 1996 eine Enquete - Kommission zum Thema "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" eingesetzt. Nach zweieinhalbjähriger Arbeit hat die Parlamentskommission im Sommer 1998 ihren Abschlußbericht und fünf Zwischenberichte zu den Themen Meinungsfreiheit – Meinungsvielfalt – Wettbewerb, Urheberrecht, Jugendschutz, Sicherheit und Schutz im Netz und Verbraucherschutz vorgelegt, die in diesen Wochen im neu gewählten Bundestag in den zuständigen Ausschüssen beraten werden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß es auch der Enquete-Kommission leider nicht in allen Bereichen gelungen ist, Konsens in der Analyse der Folgen des gesellschaftlichen Wandels und den daraus abgeleiteten Empfehlungen an das Parlament zu erreichen. Oft haben die mittlerweile schon traditionellen medienpolitischen Grabenkämpfe, beispielsweise bei der neu geführten alten Debatte um den Rundfunkbegriff und mit der daraus resultierenden Fixierung auf die Rundfunkpolitik, den Blick auf die eigentlichen Fragestellungen verstellt. Auch Empfehlungen für tragfähige Konzepte einer (umfassenden) Medien- und Kommunikationsordnung der Zukunft, die auf die Herausforderungen des Wandels zur Informations- und Wissensgesellschaft zu reagieren in der Lage wären, konnten leider nur ansatzweise entwickelt werden. Für die Entwicklung eines solchen Modells – das sei fairerweise einschränkend hinzugefügt – kam die Enquete-Kommission jedoch auch mindestens um zwei Jahre zu spät.

Gleichzeitig muß jedoch positiv hervorgehoben werden, daß es der Parlamentskommission gelungen ist, in wichtigen Detailfragen, die bis dahin in der politischen Debatte äußerst kontrovers diskutiert wurden, zu sachgerechten Lösungsansätzen zu finden. Dies trifft vor allem auf die Bereiche des Datenschutzes und der Sicherheit der Informationstechnik zu. Notwendig ist eine der Wissens- und Informationsgesellschaft angemessene neue Politik zum Schutz der Privatsphäre, denn ohne diesen wird es keine demokratisch verantwortbare "zivile" Informations- und Wissensgesellschaft geben. Zu den wichtigen – in der Enquete-Kommission im Konsens – verabschiedeten Empfehlungen an den Deutschen Bundestag – zählen insbesondere:

  1. Die Einsicht, daß die Schaffung einer Sicherungsinfrastruktur eine der wichtigsten Herausforderungen an die Politik bei der Gestaltung der Wissens- und Informationsgesellschaft darstellt. Mit dem Gesetz zur Einführung einer digitalen Signatur hat Deutschland dahingehend einen wichtigen ersten Schritt gemacht.
  2. Die Einsicht, daß die aufgrund der europäischen Richtlinie zum Datenschutz notwendige Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes eine wichtige Chance ist, "die zu einer umfassenden Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer datenschutzrechtlicher Regelungswerke genutzt werden sollte". Das traditionell normative Datenschutzkonzept muß um technikrechtliche und außerrechtliche Regelungen ergänzt werden. Die neuen technischen Möglichkeiten stellen nicht nur eine Gefährdung für die Grundrechte dar, sondern können auch im Dienste der Grundrechte eingesetzt werden. Hierzu müssen Anforderungen zur datenschutzfreundlichen Ausgestaltung von Informations- und Kommunikationstechnik entwickelt werden. Dazu gehören vor allem die Prinzipien Datensparsamkeit und Datenvermeidung. Gleichzeitig betont die Enquete-Kommission jedoch zu Recht, daß dies nicht "zu einer Einschränkung oder Abschwächung bewährter Verfahren des Datenschutzes" führen darf.
  3. Und schließlich drittens die Einsicht, daß den Möglichkeiten des Selbstschutzes in einer globalen Informationsgesellschaft für eine sichere und selbstbestimmte Kommunikation grundlegende Bedeutung zukommt. So betont die Kommission in damals so nicht erwarteter Deutlichkeit, daß - ich zitiere - die "Möglichkeiten der Nutzer zum Selbstschutz durch kryptographische Verfahren nach derzeitigem Erkenntnisstand rechtlich nicht eingeschränkt werden" sollen. Darüber hinaus spricht sich die Kommission auch mit aller Deutlichkeit gegen die Einführung eines weltweiten Key-Recovery-Systems oder dergleichen aus.

Als Fazit bleibt damit festzustellen, daß die wichtige Aufgabe der Politik, einen angemessenen Rahmen für die Informations- und Kommunikationsordnung der Zukunft zu schaffen, nur bedingt erfüllt war. Die neue Bundesregierung hat damit gerade im Bereich der Medien- und Kommunikationspolitik einen großen Berg Arbeit zu schultern.

Aktivitäten und Vorhaben der neuen Bundesregierung
Aktionsprogramm und Masterplan Internet 2005

Die Bundesregierung hat angekündigt, die Empfehlungen der Enquete-Kommission "Zukunft der Medien" unmittelbar in die Arbeit der einzelnen Ressorts, insbesondere des federführend zuständigen BMWi, einfließen zu lassen. Parallel zur Arbeit der Enquete-Kommission in der letzten Legislaturperiode hat ein Beirat der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Enquete-Kommission einen Entwurf für einen "Masterplan" erarbeitet, der neben den Kommissionsempfehlungen die Grundlage für ein Aktionsprogramm "Innovationen und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" sein wird. Dieser wird derzeit von den einzelnen Ressorts erarbeitet und abgestimmt, und vermutlich im September 1999 vorgestellt. Parallel dazu wird im Forschungsministerium das Förderprogramm Informationstechnik überarbeitet, wozu auch hier im Koalitionsvertrag eindeutige Aussagen getroffen worden sind (ZITAT): "Die Bundesregierung wird in ihrer Förderpolitik ein besonderes Gewicht bei der Medien- und Kommunikationswirtschaft auf kleine und mittlere Unternehmen und die Entwicklung des Software- und Dienstleistungsbereichs legen." Mittelfristig werden das Wirtschafts- und Technologieministerium und das Forschungsministerium einen "Masterplan Internet 2005" erarbeiten.

Gesellschaftsweite Debatte zur Zukunft der Wissens- und Informationsgesellschaft

Fest steht jedoch bereits heute, daß ein gesellschaftsweiter Diskurs - anders als bei dem Projekt "Info 2000" der Vorgängerregierung - nicht nur postuliert, sondern verwirklicht werden soll. So war es doch damals einer der zentralen Kritikpunkte, daß der gesellschaftliche Wandel zur globalen Wissens- und Informationsgesellschaft nahezu ausschließlich auf technische und ökonomische Fragestellungen reduziert wurde. Diese Fragestellungen sind - unzweifelhaft - wichtig und richtig Medien- und Kommunikationspolitik ist natürlich auch Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik, sie ist aber daneben auch von entscheidender gesellschafts- und kulturpolitischer Bedeutung. Zuversichtlich stimmt mich hierbei die Tatsache, daß der neu gewählte Bundestag parallel zur Regierungsorganisation einen Ausschuß für Kultur und Medien eingerichtet hat, in dem - in Zusammenarbeit mit dem Wirtschafts- und Technologieausschuß und dem Bildungs- und Forschungsausschuß diese Fragen gebündelt werden können, zumal dieses Ressort auf der Regierungsseite am Kanzleramt angegliedert ist. Nur die Erweiterung der Informationsgesellschaft um eine kulturelle Dimension wird für den erforderlichen Schub sorgen. Um auch ein wenig Werbung zu machen: Wenn Sie noch einige Minuten Zeit haben, dann schauen Sie sich doch einmal beim Stand der GMD hier auf der CeBIT vorbei und lassen sich von deren Beethovenhaus-Projekt begeistern.

Generell kann man sagen, daß die Informations- und Kommunikationspolitik der neuen Bundesregierung einen hohen Stellenwert hat, wie es auch in dem Koalitionsvertrag festgeschrieben ist; auch hier ein Zitat: "Die Politik der Bundesregierung zielt auf die beschleunigte Nutzung und Verbreitung moderner Informations- und Kommunikationstechnologie in der Gesellschaft. Chancen und Potentiale der Wissens- und Kommunikationsgesellschaft müssen für eine international wettbewerbsfähige Wirtschaft, für neue Erwerbsarbeit, für ökologische Nachhaltigkeit, für einen uneingeschränkten Informationszugang, für Wissenserweiterung und für die weltweite Erweiterung der Freiheitsräume der Menschen ausgeschöpft und erschlossen werden."

Entwicklung einer tragfähigen Kommunikationsordnung der Zukunft

Notwendig ist es jedoch auch weiterhin, einen umfassenden Rahmen für eine Kommunikationsordnung der Zukunft zu entwickeln und umzusetzen, zumal dessen Erfordernis grundsätzlich kaum umstritten ist. Dabei muß endlich vom Denken in alten Schubladen Abschied genommen und nach neuen Formen der Zusammenarbeit in einem föderalen System gesucht werden. Einen denkbarer Ansatz wäre ein von Bund und Ländern gemeinsam getragenes Regulierungsorgan, beispielsweise in Form eines Bund-Länder-Kommunikationsrates. Es geht dabei nicht um die Schaffung einer neuen Behörde. Es müssen aber angemessene Rahmenbedingungen für die sich entfaltende globale Informations –und Wissensgesellschaft entstehen, die nicht bereits vor ihrer Verabschiedung den technischen Entwicklungen hinterherhinken und bestenfalls wirkungslos bleiben, im Zweifel jedoch genau zum gegenteiligen Effekt führen können, sondern vielmehr Rechtssicherheit schaffen. Daß dies nicht immer ganz einfach ist, auch hinsichtlich der notwendigen Verhandlungen mit den Bundesländern, sei hier nur am Rande angemerkt.

Informationssicherheit und Sicherungsinfrastruktur: IT-Sicherheit und Datenschutz

Große Beachtung in der Politik der neuen Bundesregierung soll der Informationssicherheit, also den Fragen der IT-Sicherheit und des Datenschutzes, zukommen - und dies sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Dies ist von besonderer Bedeutung, da Information und Kommunikation für eine demokratisch verfasste Gesellschaft von konstituierender Bedeutung sind und als wesentliche Faktoren für die Prosperität einer nationalen Wirtschaft stehen werden. Notwendig ist hier die Entwicklung einer Sicherungsinfrastruktur und damit die Ermöglichung einer sicheren und selbstbestimmten Kommunikation - m.E. auch (aber nicht nur!) eine staatliche Aufgabe. Mit dem Signaturgesetz wurden in Deutschland - mit Zustimmung der damaligen Opposition im übrigen! - erste Weichen gestellt, gegenwärtig finden Verhandlungen auf europäischer Ebene hinsichtlich vergleichbarer Ausgangsbedingungen statt. Im Sommer soll zudem die Evaluierung der deutschen Multimediagesetzgebung abgeschlossen sein, so daß man zu diesem Zeitpunkt mögliche Überregulierungen, wirtschaftliche Hemmnisse oder aber auch neue Konfliktfelder benennen kann. Hierfür sollen auch konkrete Förderprojekte - so gerade erst zu Wahlen im Internet - einen entscheidenden Beitrag leisten.

Voraussetzung für die Ermöglichung einer sicheren und selbstbestimmten Kommunikation ist die freie Verfügbarkeit kryptographischer Verfahren. Einschränkungen jedweder Art im Bereich der Datenverschlüsselung und damit der Datensicherheit sind daher geeignet, den Bürgerrechten ebenso wie dem Standort Deutschland nachhaltigen Schaden zuzufügen. Dies betrifft neben den Hemmnissen im Bereich des electronic commerce insbesondere die Unternehmen, die Sicherheitsprodukte entwickeln und bei einer Kryptoregulierung verminderte Exportchancen zu verzeichnen hätten. Einschränkungen sind m.M. nach auch verfassungsrechtlich bedenklich; Aufgabe des Staates ist es nach meinem Verständnis vielmehr, den Bürger in die Lage zu versetzen, sich selbst zu schützen.

Gegenwärtig wird auf Staatssekretärsebene die Position der Bundesregierung zur freien Verwendung kryptographischer Verfahren unter Federführung des Wirtschaftsministers vorbereitet. Die Position der SPD-Bundestagsfraktion aber auch der Ressorts Justiz, Wirtschaft und Forschung ist klar formuliert, die Beamten im Innenministerium - nicht der Innenminister selbst - dagegen tun sich noch etwas schwer mit diesem Thema.

Es ist ein wichtiges Anliegen der neuen Bundesregierung, das in die Jahre gekommene deutsche Datenschutzrecht den neuen technischen Herausforderungen und den Herausforderungen der europäischen Integration - z.B. die längst überfällige Umsetzung der EU-Datenschutzrichtlinie - anzupassen. Einem modernen, den technischen Realitäten adäquaten und wirksamen Datenschutz kommt in der sich entfaltenden Informationsgesellschaft eine herausragende Bedeutung zu. Will die Gesellschaft beim Übergang in die Wissens- und Informationsgesellschaft am Ziel eines freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens festhalten, kommt sie nicht umhin, auch in einer vernetzten und digitalisierten Welt das Grundrecht auf informationelle und kommunikative Selbstbestimmung zu bewahren.

Angesichts des Zeitdrucks aufgrund der von der alten Bundesregierung versäumten fristgerechten Umsetzung der EU-Richtlinie wird hierbei vermutlich ein zweistufiges Vorgehen unvermeidlich sein - und so haben wir uns zumindest von Seiten Bundesregierung und SPD-Fraktion auch verständigt. So sollen in einem ersten Schritt schnellstmöglich die inhaltlichen Vorgaben der EU-Richtlinie mittels einer Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes umgesetzt werden, um in einem daran anschließenden zweiten Schritt das gesamte deutsche Datenschutzrecht - einschließlich des bereichsspezifischen Datenschutzrechtes - auf den Prüfstand zu stellen. Dabei muß auch eine Vereinfachung und Verschlankung des Datenschutzrechtes erreicht werden, ohne dabei das Schutzniveau zu reduzieren. Sicherlich ein ehrgeiziges Ziel, aber auch ein lohnendes Projekt, wie ich finde.

Ziel muß es auch sein, die teilweise widersprüchlichen Regelungen - z.B. TKG und TDDSG - aufzulösen und vergleichbare Bedingungen zu schaffen, wie dies ja auch von Seiten der Wirtschaft massiv gefordert wird. Wir haben bei weitem noch nicht alle Beamten überzeugen können, aber auch hier hat der 27.09.98 positive Spuren hinterlassen.

TKG Abschnitt 11 und TKÜV

Einigkeit herrscht m.E. hinsichtlich der Notwendigkeit - wenn dies wohl auch erst im zweiten Schritt möglich sein wird -, den 11. Teil des TKG, die Datenschutzregelungen, zu novellieren. Eng mit den Themen Datensicherheit und Datenschutz verbunden - auch wenn dies in den zuständigen Behörden oft noch nicht in dieser Dimension erkannt wird - ist die Frage der rechtmäßigen, d.h. unter rechtsstaatlichen Bedingungen durchgeführten, Telekommunikationsüberwachung, gegen die man ja im Grundsätzlichen unter Gesichtspunkten der Kriminalitätsbekämpfung nichts einwenden kann. Was die Telekommunikationsüberwachung angeht, kann es jedoch nicht das Ziel einer modernen sozialdemokratisch geführten Bundesregierung sein, die immer weitergehenden - und m.E. überzogenen - Forderungen der alten Bundesregierung fortzusetzen.

Der lautstarke Protest von Seiten der damaligen Opposition und auch von Seiten der Industrie hat die damals amtierende Bundesregierung veranlaßt, ihren Entwurf einer TKÜV (Telekommunikationsüberwachungsverordnung) - mit der jedes Krankenhaus, jedes Hotel und jedes Firmennetz zu eigenen Kosten in die Bereitstellung der Überwachunsgmaßnahmen einbezogen worden wären - in der Schublade verschwinden zu lassen. Vielleicht erinnern Sie sich ja an die prekäre Situation, daß noch nicht einmal der damalige Bundeswirtschaftsminister Rexrodt über die Absichten einer Abteilung des eigenen Hauses orientiert war.

Die neue Bundesregierung erstellt gegenwärtig unter Federführung des BMWi, was Sie als wichtiges Signal verstehen dürfen, eine vollständige Überarbeitung der TKÜV, in die auch die eingereichten Stellungnahmen einfließen sollen, und die dann auch mit den Betroffenen diskutiert werden wird.

Dieser soll in der nächsten Zeit mit den beteiligten Ressorts, also BMJ und BMI, abgestimmt werden. Im Unterschied zum alten Entwurf sollen nun ausschließlich die Betreiber von Telekommunikationsunternehmen (im engeren Sinne) zur Bereitstellung dieser Überwachungsmöglichkeiten verpflichtet werden. Für die Internet- Provider und die internen Firmennetze - von den Hotels und Krankenhäusern ganz zu schweigen - bedeutet dies erst einmal Entwarnung; als problematisch ist im Moment aber noch der Bereich Internet-Telephonie anzusehen. Von Seiten des Wirtschaftsministeriums heißt es aber ausdrücklich, daß es nicht das Ziel der Bundesregierung sein kann und darf, neue Sicherheitslücken (i.S. von (Ein-) Bruchstellen) zu schaffen.

Bleibt hierbei noch die europäische Ebene und das Stichwort: Arbeitsgruppe Polizeiliche Zusammenarbeit und ENFOPOL. Hier wird mancherorts versucht, national verlorene Debatten auf europäischer Ebene zurückzugewinnen. Dies kennen wir ja beispielsweise auch aus der Kryptodebatte, wo ein Herr Aaron versucht, Druck auf Deutschland und die anderen europäischen Staaten auszuüben, auch deshalb, um eine Kryptoregulierung durchzusetzen, die in den Vereinigten Staaten nicht durchsetzbar war. Ich persönlich halte dies für eine sehr bedenkliche Entwicklung, um es diplomatisch auszudrücken.

Zurück zu ENFOPOL: Um nicht nur die unbestritten wichtigen Aspekte der inneren Sicherheit zu betrachten, sondern auch die möglichen "Nebenwirkungen" dieser Sollbruchstellen zu erkennen, habe ich dem DIHT angeregt, noch vor der im Mai anstehenden Unterzeichnung dieser Ratsentschließung eine Tagung bzw. ein Hearing durchzuführen, bei dem wir uns mit den Forderungen der Sicherheitsbehörden sowie den rechtsstaatlichen und auch ökonomischen Aspekten einiger Pläne beschäftigen können. Diese Anregung scheint angekommen zu sein.

Lassen Sie mich damit zum Schluß kommen: Die Bedeutung des Zukunftsmarktes Informations- und Kommunikationstechnik ist von Seiten der Politik zumindest erkannt und steht auf der Prioritätenliste ganz oben. Wichtig ist beispielsweise die Ankündigung des Bundeskanzlers bei seinem Cebit-Besuch, die Initiative "D 21" - ein Zusammenschluß von über 50 Vorstandschefs deutscher Unternehmen, deren Ziel es ist, die Durchsetzung moderner Technologien in Ausbildung und Firmen zu fördern - zu unterstützen. Wir sollten auch aus dem Kreis der hier versammelten Fachleute heraus alles tun, um diese Initiative inhaltlich zu unterfüttern. Hierzu könnte auch - und zum Teil geschieht dies ja bereits - von den Stiftungen wichtige Impulse geleistet werden.

Bleibt nach alldem, was die Bundesregierung zu leisten hat, zu fragen: Was bleibt für die Wirtschaft zu tun? Die Interessenvertretung der jungen Wachstumsbranche und noch mehr die Interessenvertretung der Nutzer der neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten ist noch - um es ein vorsichtig zu formulieren - im Wachsen begriffen. Notwendig ist jedoch gerade bei diesem Zukunftsthema eine klare Artikulation auch der Interessen der Zukunftsbranche und der Nutzer - beispielsweise wenn es um Überwachungsanforderungen geht. Gestatten Sie mir noch einige persönliche Anmerkungen zum Schluß, die ich jedoch nur mit meinem Gewissen, nicht aber mit der Bundesregierung abgestimmt habe:

  1. Der VDMA sollte seine Briefe, so meine Bitte, nicht nur an die Bundesregierung richten sondern auch an die Innenminister und vor allem die Ministerpräsidenten senden. Die Innenbehörden bedürfen durchaus der Sachinformation.
  2. Noch immer wird über die Datenautobahn diskutiert. Dabei haben wir hervorragende Ausgangssituationen. Dennoch wird ein Großteil unseres Internettraffic über die USA abgewickelt. Dies wäre eigentlich nicht notwendig und ist sicher auch unter Sicherheitsgesichtspunkten für die Wirtschaft nicht unproblematisch. Ich plädiere dafür, alle unsere Datennetze zu öffnen und zu verknüpfen, auch das DFN. Hier ist viel zu lange Geld geflossen und zu wenig dabei herausgekommen. Die gegenwärtige Schaffung von offenen Landesdatennetzen ist der richtige Weg. Das DFN ist auf Kernbereiche zu reduzieren.
  3. Über das Breitbandnetz der Telekom brauchen wir baldmöglichst Klarheit. Ich habe Verständnis, daß ein Vorstandsvorsitzender auf seine Aktienkurse schielt und daß ein Finanzminister, der einen Großteil der Aktien hält, ebenfalls darauf schielen muß, wieviel er in die Kasse bekommt. Doch wenn jetzt nicht rasch Entscheidungen fallen, ist der volkswirtschaftliche Schaden für Deutschland größer, als es der eine oder andere Kurs einzelner Firmen dann noch ausgleichen könnte. Dann wären wir wieder einmal in der Situation, daß die neuen und innovativen Produkte weg sind, wir dagegen hatten die lange Diskussion darüber. Ich würde mir manchmal wünschen, daß die eine oder andere aufgeregte Debatte in diesem Lande - auch in der Wirtschaft - sich weniger am letzten Abschreibungsbesitzstand entzündet, sondern sich auf solche Zukunftsthemen fokussiert. Dies gilt aber auch - natürlich - für die Politik. Machen wir gemeinsam unsere Hausaufgaben.

Ich wünsche Ihnen noch eine schöne und erfolgreiche Zeit auf der CeBIT und danken Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit - und, eine allerletzte Bemerkung: Denken Sie bitte an meinen Rektor und die von ihm zur Verfügungen stehenden 5000,- DM!


[Hauptseite]   [Zur Person]   [Wahlkreis]   [Bundestag]   [Kontakt]   [Links]