Jörg Tauss, MdB


Politik und Internet

Das Internet scheint den endgültigen Beweis dafür zu liefern, das gegenwärtig nicht mehr die Politik, sondern vielmehr die technologische Entwicklung und wirtschaftliche Dynamik die wichtigste gestaltende Kraft des gesellschaftlichen Wandels sind. Diese Einschätzung verkennt allerdings, dass gerade in Zeiten eines grundlegenden Umbruchs die Gestaltung dieses Wandels politische Aufgabe ist. Politik ist von der Herausbildung einer globalen Wissens- und Informationsgesellschaft in doppelter Weise herausgefordert: Zum einen hat sie für zukunftsfähige rechtliche und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zu sorgen, die die Chancen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien fördern und unterstützen. Zum anderen hat sie zugleich auch die neuen Möglichkeiten für die politische Kommunikation positiv aufzunehmen und in den Gestaltungsprozess einzubinden.

  Politik für das Netz

Die Gestaltung der Rahmenbedingungen für die globale Informationsgesellschaft sieht sich mit zwei zentralen Problemen konfrontiert: erstens mit der enormen technologischen Entwicklungsdynamik, die jeden Regelungsversuch über Nacht anachronistisch erscheinen lässt, und zweitens mit der Tatsache, dass globale Netze sich kaum auf nationalstaatlicher Basis effektiv verwalten und regulieren lassen.

Der immer kürzere Innovationszyklus, die umfassende Digitalisierung der Inhalte, die weltweite Vernetzung und die Konvergenz der Medien sollten weniger als Grenzen, sondern vielmehr als Herausforderung für die politische Gestaltung aufgefaßt werden. Dies betrifft nicht nur die Art und Weise der Gesetzgebung, die technikneutral und zukunftsoffen gestaltet werden muß, sondern vor allem auch die kreative Lösung der Spannungen zwischen der bestehenden Medien- und Kommunikationsordnung und den neuen Realitäten. Hinsichtlich der Kompetenzteilung im Kommunikations- und Medienbereich werden auch in Zukunft neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, auch zur Wahrung des föderalen Systems, notwendig sein. Dabei wäre die Einrichtung eines gemeinsamen Organs im Sinne eines Bund-Länder-Kommunikationsrates sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Aus Sicht der Nutzer neuer Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten sind vor allem die Problematik des Schutzes und der Sicherheit von Informationen und Daten, der Schutz der Verbraucher und der Kinder und Jugendlichen, die Frage der Verantwortlichkeit für Inhalte und die Ermöglichung einer selbstbestimmten Kommunikation in weltweiten Kommunikations- und Datennetzen von zentraler Bedeutung. Die Rechtsunsicherheit stellt nach wie vor das größte Hindernis für die Akzeptanz und erfolgreiche Entwicklung sowohl des eCommerce als auch einer modernen und bürgernahen Verwaltung dar. Anbieter, Nutzer und Bürger sehen sich gerade im Datenschutzrecht einem Bestimmungsdschungel gegenüber, der es fast unmöglich macht, geltende Regelungen einzuhalten oder schlicht eigene Rechte und Pflichten überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Die beabsichtigte umfassende Reform des Bundesdatenschutzgesetzes hat sich daher das ehrgeizige Ziel gesetzt, mit einem modernen, schlanken und anwendbaren Regelungswerk viele der Defizite des geltenden Rechts zu beseitigen. Es gilt, den Datenschutz aus der bürokratischen Verfestigung zu lösen und ihn über Zertifikate und Gütesiegel geradezu sinnlich wahrnehmbar in die Produkte und Anwendungen im Internet zu bringen.

Werden Informationen und Wissen zur wichtigsten Ressource für gesellschaftliche und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und gesellschaftliche Innovation und Kreativität, wird die Gewährleistung eines hinreichenden und fairen Zugangs zu und Umgangs mit Informationen eine zentrale politische Aufgabe. Auch hier ist ein Ausgleich verschiedenster Interessen notwendig, die eine reine Marktlösung nicht zu leisten vermag.

Die nationalstaatliche Gestaltungskompetenz stößt allerdings in Anbetracht der globalen Vernetzung des Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten zunehmend an ihre Grenzen. Partikulare staatliche Rechtsnormen sind in weltweiten Netzwerken kaum durchsetzbar. Deshalb ist die internationale Zusammenarbeit gerade in Fragen der Informations- und Kommunikationspolitik und des Datenschutzes sowie auch der effektiven Strafverfolgung noch zu intensivieren und voranzutreiben. Schließlich kann zumindest mittelfristig die Verwaltung und Kontrolle eines globalen Informations- und Kommunikationsnetzes nicht einem Staat oder einer Gruppe von Nationen überlassen bleiben. Diese erschöpft sich gerade nicht in rein technischen Anforderungen wie Funktionsfähigkeit und Interoperabilität, sondern hat innerhalb eines universalen Mediums immer auch politische, soziale und ökonomische Implikationen.

  Politik mit dem Netz

Die Entstehung der Wissens- und Informationsgesellschaft verändert auch die Rahmenbedingungen für die politische Kommunikation im Spannungsfeld von Öffentlichkeit, Medien und Politik. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnen neue Möglichkeiten der Information und Partizipation für die Bürgerinnen und Bürger auf allen Ebenen. Zugleich bieten sie eine Chance für die Politik, ihre Inhalte mit neuen Mitteln darzustellen und ihre Prozesse transparenter zu gestalten. Direktere, interaktive Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern ist ebenso möglich wie die weitaus breitere Einbeziehung externen Sachverstandes in den politischen Gesetzgebungsprozeß. Der umfassende Zugang zu Dokumenten und Entwürfen in allen Entwicklungsstadien sowie deren öffentliche Diskussion in eingerichteten Foren muß als Chance genutzt und nicht als Bedrohung für die bestehende demokratische Ordnung gefürchtet werden. Erfahrungen werden gegenwärtig in ersten Experimente auf den Gebieten des eGovernment und der Online-Wahl (eVote) gesammelt.

Die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes geht auch hier mit einem Projekt zur e-Demokratie voran. Sämtliche Entwürfe, Gutachten, Stellungnahmen, Beiträge und Anmerkungen sollen unter www.moderner-datenschutz.de für jedermann zugänglich gemacht werden. Zudem sollen durch die Diskussionen und Anregungen in teilweise offenen Foren nicht nur externer Sachverstand eingebunden werden, sondern zudem die aktive Beteiligung der Bevölkerung über Expertenzirkeln hinaus gefördert werden.

Politik wird durch die Dynamik des Internets nicht überflüssig, eher im Gegenteil: sie hat dafür Sorge zu tragen, dass vermehrt die Chancen der neuen Technologien und Möglichkeiten gefördert werden, ohne Risiken zu übersehen.


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