Jörg Tauss, MdB


Offener Brief zum geplanten Teledienste-Gesetz und zum Mediendienste-Staatsvertrag


An den
Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie
Herrn Dr. Jürgen Rüttgers
An die
Ministerpräsidenten der Länder

Sehr geehrter Herr Minister Rüttgers, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

mit großer Sorge habe ich die vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie sowie von den Staatskanzleien der Länder jetzt der Öffentlichkeit vorgelegten und miteinander verzahnten Entwürfe zur Fortentwicklung der Informations- und Medienordnung in Deutschland zur Kenntnis genommen. Ausdruck meiner tiefen Besorgnis ist dieser offene Brief.

Das geplante Teledienste-Gesetz des Bundes im IuKDG und der Mediendienste-Staatsvertrag der Länder verfolgen das Ziel, einheitliche Rahmenbedingungen für die mit dem Schlagwort "Multimedia" gekennzeichneten neuen Informations- und Kommunikationsdienste zu schaffen, um so bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und den Medienstandort Deutschland auf die sich entfaltende Informationsgesellschaft vorzubereiten. Als der für den Bereich der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zuständige Abgeordnete in der SPD- Bundestagsfraktion habe ich das gemeinsame Vorgehen von Bund und Ländern wegen der auseinanderfallenden verfassungsmäßigen Kompetenzen in dieser Sache ausdrücklich begrüßt. Der Inhalt des gefundenen Kompromisses gibt jedoch Anlaß zur Sorge:

Problematisch ist vor allem, daß beide Entwürfe an den herkömmlichen Abgrenzungen "Rundfunk" versus "Nicht-Rundfunk" und "Massenkommunikation" versus "Individualkommunikation" festhalten und damit versuchen, die tradierte Medienordnung unbesehen und trotz völlig veränderter Bedingungen festzuschreiben. Der Versuch, eine solche Abgrenzung durchzusetzen und die Neuen Medien in den bestehenden Dualismus zu pressen, ist bereits unter heutigen Bedingungen als überholt anzusehen und angesichts der Dynamik medientechnologischer Entwicklung und der fortschreitenden Konvergenz zwischen Medien- und Telekommunikation nicht haltbar. "Multimedia" führt doch gerade, wie sich schon aus dem Wortsinn ergibt, die verschiedensten Dienste und Anwendungen zusammen.

Einer Unterscheidung in Medien- und Teledienste, wie sie in den Entwürfen vorgesehen ist, darf daher lediglich hinsichtlich der Aufteilung der Regulierungskompetenzen zwischen Bund und Ländern Bedeutung zukommen. Gesetzliche Regelungen, die sich - wie die vorliegenden Entwürfe - darüber hinaus an tradierten Vorstellungen und Begriffen eines "klassischen" Dualismus orientieren, sind dagegen bestenfalls wirkungslos. Im schlimmsten Fall führen sie wegen der unterschiedlichen, an die Zuordnung gebundenen Rechtsfolgen (z.B. hinsichtlich Jugendschutz und Verantwortlichkeit), aber in unauflösbare Abgrenzungsprobleme. Das formulierte Ziel beider Entwürfe, bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, kehrt sich damit ins Gegenteil: Rechtsunsicherheiten werden nicht beseitigt, sondern noch verschärft.

Ich möchte Sie daher dringend ersuchen, die beiden Gesetzentwürfe vor ihrem Beschluß noch dahingehend zu überarbeiten, daß sie den Anforderungen an eine Informations- und Medienordnung für die Zukunft genügen können.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Tauss


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