Anlässlich der 1. Lesung des Koalitionsantrages "Reform der Medien- und Kommunikationsordnung für die Wissens- und Informationsgesellschaft verwirklichen" erklären die Sprecherin der Arbeitsgruppe Neue Medien, Monika Griefahn, und der Beauftragte für Neue Medien der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss:
Die Medien- und Kommunikationsordnung in Deutschland leidet an Altersschwäche. Das Internet hat die technische und inhaltliche Unterscheidbarkeit von Rundfunk und Telekommunikation mehrt oder weniger aufgehoben. Zusammenfassen lässt sich dieser ebenso tiefgreifende wie dynamischen Prozess des Wandels der Medien- und Kommunikationsordnung mit den Schlagworten technologische Konvergenz, neue Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten und Internationalisierung. Die medienpolitischen Diskussionen der letzten Monate haben gezeigt, dass elektronische Medien alles andere als nur ein Wirtschaftsgut unter vielen sind. Sie bilden vielmehr einen Ausdruck gesellschaftlicher Grundüberzeugungen und sind ein Teil der Antwort auf die Frage, in was für eine Gesellschaft wir leben wollen. Freie Medien und Meinungsvielfalt sowie die freie, selbstbestimmte Kommunikation von Bürgerinnen und Bürgern sind kein Luxus, den wir uns leisten. Beides ist vielmehr die Voraussetzung für ein freies, offenes, pluralistisches und auch demokratisches Gemeinwesen. Gerade in Zeiten eines solchen Wandels ist eine sachorientierte und zukunftsweisende Medien- und Kommunikationspolitik daher notwendiger denn je.
Den immensen Herausforderungen im Medienbereich steht in Deutschland eine zersplitterte Medien- und Kommunikationsordnung gegenüber, die immer weniger geeignet ist, hierauf zu reagieren und zunehmend sogar zum Hindernis für die weitere Entwicklung der Informations- und Wissensgesellschaft wie auch der Medienwirtschaft und auch beispielsweise des elektronischen Geschäftsverkehrs wird. Ziel der umfassenden Reform der Medien- und Kommunikationsordnung ist es, zu einer Vereinheitlichung der Regelungen für elektronische Medien und der Aufsichtsstrukturen zu gelangen, wobei den Besonderheiten der "traditionellen" und Neuen Medien Rechnung zu tragen ist. Dabei kommt auch in Zukunft vor allem den wegweisenden abgestuften Verantwortlichkeitsregelungen für Diensteanbieter, die fremde Inhalte (sog. Host-Provider) und Diensteanbieter, die eigene Inhalte in das Netz stellen (sog. Content-Provider) sowie Diensteanbieter, die lediglich den Zugang zur Nutzung von fremden Inhalten vermitteln (sog. Access-Provider) entscheidende Bedeutung zu.
Vor allem aber muss dringend geklärt werden, wie die Zusammenarbeit der Landesmedienanstalten untereinander und mit den für den Bereich der Information und Kommunikation zuständigen Bundesbehörden verbessert werden kann. Zu diesem Zweck schlagen die Koalitionsfraktionen einen Medien- und Kommunikationsrat als eine gemeinsame Einrichtung von Bund und Ländern vor. Dieser Kommunikationsrat soll die bestehenden Institutionen integrieren, nicht aber ergänzen. Die Koordination der politischen Planungs- und Gesetzgebungsprozesse, die Abstimmung administrativer Verfahrensabläufe und der Entscheidungen sowie die wissenschaftliche Begleitung wären unter einem Dach versammelt, ohne in die grundgesetzlich verbrieften Zuständigkeiten des Bundes und der Länder einzugreifen. Medienpolitik und Medienregulierung in Deutschland würde gestrafft und vereinfacht.
Die Koalitionsfraktionen unterstützen die Bemühungen der Bundesregierung, in Gesprächen zwischen Bund und Ländern die Reform der Medien- und Kommunikationsordnung umzusetzen. Aufgrund der großen volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung einer zukünftigen Medien- Kommunikationsordnung sollte dabei überlegt werden, der Aufforderung des von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Gutachtens "Konvergenz und Regulierung von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie" zu folgen und einer Expertenkommission mit politischem Beirat einzurichten.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Antrag der Koalitionsfraktionen natürlich kein dogmatisches Konzept einer modernen Medien- und Kommunikationsordnung entwirft. Er stellt vielmehr einen Beitrag zu dieser zur Reformdiskussion dar und zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass er unterhalb der Schwelle einer Verfassungsänderung nach für Bund und Länder gangbaren Wegen zu einer gemeinsamen Reform der Medien- und Kommunikationsordnung sucht - nicht zuletzt auch, um die Kompetenz der Bundesländer zu wahren. Dennoch stehen wir erst am Anfang einer langen Mediendebatte. In den kommenden Monaten werden immer wieder aktuelle Anlässe und konkrete Gesetzesvorhaben dazu führen, über Defizite und Perspektiven unserer Medien- und Kommunikationsordnung zu diskutieren und über die besten Konzepte zu streiten. Die Koalitionsfraktionen sind davon überzeugt, dass technische Konvergenz, neue Informations- und Kommunikationsdienste und die Internationalisierung unsere Medienordnung nachhaltiger verändern werden, als die Einführung des privaten Rundfunks vor beinah zwei Jahrzehnten. Dabei sollte man sich allerdings im Klaren sein, dass die besondere gesellschaftliche Bedeutung aller Medien hierbei keinesfalls abnehmen, sondern sogar noch zunehmen wird.