Jörg Tauss, MdB


Der Beauftragte für "Neue Medien" der SPD- Bundestagsfraktion informiert in dieser Woche auf zwei Fachtagungen in Frankfurt (DPG, 21. 11.) und Köln (DAFTA, 22. 11.) über die Vorhaben der Koalition auf dem Gebiete des Datenschutzes und eines modernen Informationsrechtes. Die Kenaussagen sind nachfolgend widergegeben. Um Weitergabe des Textes an Ihre Redaktionen für Politik, Wirtschaft bzw. "Neue Medien" wird gebeten:

Ohne modernen Datenschutz geht nichts in der künftigen Informations- und Wissensgesellschaft

Rot-grünes Reformprojekt in zwei Reformschritten

Das deutsche Datenschutzrecht, das sich in der Vergangenheit zwar durchaus bewährt hat, ist in die Jahre gekommen: Es ist unübersichtlich, schwer verständlich und zersplittert (und somit oft nur noch von Datenschutzexperten zu handhaben), teilweise auch veraltet, in Teilen auch in sich widersprüchlich. Hinzu kommt, dass das allgemeine Datenschutzgesetz nicht nur kaum lesbar ist, sondern durch die vielen Detailregelungen ständig an Bedeutung verloren hat. Die Herausforderungen, mit denen sich das deutsche Datenschutzrecht gegenwärtig konfrontiert sieht, sind jedoch auch aufgrund der fortgeschrittenen technischen Entwicklung, der weltweiten Vernetzung und der zunehmenden Bedeutung des Datenschutzes als Wettbewerbsfaktor der globalen Informations- und Wissenschaftsgesellschaft so gewaltig wie nie zuvor.

Die Entwicklung eines der Wissens- und Informationsgesellschaft angemessenen Datenschutzkonzeptes ist damit ein zentrales gesellschaftliches Reform- und Modernisierungsprojekt der SPD-geführten Bundesregierung und der SPD-Bundestagsfraktion. Die bestehenden fragmentierten Regelungen zum Datenschutz sollen durch ein modernes, schlankes und lesbares Daten- und Informationsrecht abgelöst, das Rechtssicherheit gibt und Vertrauen schafft. Die Regelungen sollen sowohl dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zur Geltung verhelfen, wie auch den Anbietern von Dienstleistungen im Bereich des e-Business und e-Commerce in einem globalen Markt Wettbewerbsvorteile durch eine Steigerung des Verbrauchervertrauens in diesen Bereichen eröffnen.

Mit der jetzt vom Kabinett verabschiedeten und am 27.10.2000 in erster Lesung im Deutschen Bundestag beratene Bundesdatenschutznovelle kommt die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nach, die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr in nationales Recht umzusetzen. Diese Novelle enthält zwar bereits einige wichtige Anforderungen zur Modernisierung (z.B. Datenschutz durch datenminimierende Gestaltung und Auswahl von Kommunikationstechnik, Datenschutzaudit; Videoüberwachungsregeln), wird jedoch die bekannten Probleme eher noch vergrößern. Immerhin wurden mit diesem ersten Modernisierungsschrittes die Weichen für ein europaweit einheitliches Datenschutzniveau gestellt, wie auch durch zusätzliche Informationspflichten auch die Transparenz der Datenverarbeitung von Wirtschaft und Verwaltung für den Bürger verbessert wurden.

Mit den beteiligten Ministerien (vor allem dem federführenden Bundesministerium des Innern und dem Bundesministerium für Justiz) und dem Koalitionspartner wurde daher vereinbart, daß noch in dieser Legislaturperiode im Rahmen einer zweiten Stufe der Entwurf einer Gesetzesnovelle vorgelegt werden soll. Für die umfassende Modernisierung des Datenschutzrechtes und dessen Weiterentwicklung zu einem modernen Informationsrecht ist folgender Zeitplan vorgesehen:

  1. Die Gesamtreform des Datenschutzrechtes - also die wichtige und mit großen Hoffnungen erwartete zweite Stufe - wurde mit dem internationalen Workshop "Modernes Datenschutzrecht für die Wissens- und Informationsgesellschaft" eingeleitet, der vom 15. - 18. Juni 2000 in Berlin stattfand. Auf diesem Workshop wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Berliner Erklärung zur Modernisierung des Datenschutzrechtes verabschiedet.
  2. Gleichzeitig haben drei renommierte Experten aus dem Bereich Recht, Informatik und Datenschutz seitens des federführenden Bundesministeriums des Innern den Auftrag erhalten, Friktionen und Probleme der bestehenden Rechtslage aufzuzeigen und bis zum Frühjahr/Frühsommer 2001 eine "Paragraphenkette" für ein neues Gesetz zu erarbeiten.
  3. Parallel dazu setzen die Koalitionsfraktionen - unter der Leitung von Jörg Tauss (SPD) und Cem Özedemir (Bündnis90 / Die Grünen) - einen Begleitausschuss aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und weiteren Datenschutzexperten ein, der die Arbeit der Gutachter unterstützt und weitere Überlegungen einbringt. Die konstituierende Sitzung hierzu wird am 15. Januar 2001 in Berlin sein.
  4. Bis zum Ende des Jahres 2000, so hat das BMI angekündigt, soll ein erster Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vorgelegt werden.
  5. Es ist beabsichtigt, die auf der Grundlage des Expertenvotums vorgelegten Entwürfe der Bundesregierung nicht nur im Kreis der Ausschüsse und innerhalb des Begleitausschusses zu diskutieren, sondern die dabei entstehenden Papiere und Stellungnahmen auch im Internet unter den Adressen zu veröffentlichen und zur Diskussion zu stellen. Damit wäre in Deutschland zum ersten Mal mit Hilfe des Internet das Entstehen eines neuen Gesetzes, die Beratung mit den Interessenverbänden und im parlamentarischen Raum nahezu umfassend transparent. Dies ist daher als wichtiger Versuch anzusehen, weitgehende Schritte in Richtung einer e-Demokratie zu gehen. Die Modernisierung des Datenschutzrechtes als ein wesentlicher Baustein der sich entfaltenden Informations- und Wissensgesellschaft eignet sich besonders für ein solches Projekt, da von den Normen dieses Rechtsgebietes nahezu jeder betroffen sein kann. Da zugleich die "Grabenkämpfe" der 70er Jahre (erinnert sei nur an die Parole: Datenschutz gleich Täterschutz) zu einem großen Teil obsolet geworden sind bzw. sein sollten, bietet sich insbesondere in diesem Bereich ein solch transparentes Verfahren mittels eines neuen Kommunikationsmediums Internet an, gilt es doch wichtige Fundamente einer demokratisch verfaßten und offenen Gesellschaft - das Recht auf informationelle Selbstbestimmung - neu zu definieren.

Bei diesem Zeitrahmen handelt es sich - zugegeben - um ein sehr ehrgeiziges Ziel. Ob wir diesen Zeitrahmen wirklich einhalten können, ist, da es von verschiedenen Faktoren abhängt, derzeit nicht absehbar. Der ehrgeizige Zeitrahmen soll aber auch deutlich machen, daß die Modernisierung des Datenschutzrechtes ein zentrales Reformprojekt der SPD-Bundestagsfraktion darstellt. Denn: Will die Gesellschaft beim Übergang zur Wissens- und Informationsgesellschaft am Ziel eines freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens festhalten, kommt sie nicht umhin, auch in einer vernetzten und digitalisierten Welt das Grundrecht auf informationelle und kommunikative Selbstbestimmung zu bewahren.

Anlage:
Berliner Erklärung zur Modernisierung des Informationsrechtes Zentrale Thesen:

Das Datenschutzrecht, das sich in der Vergangenheit durchaus bewährt hat, sieht sich mit der Herausbildung der globalen Wissens und Informationsgesellschaft mit immensen Herausforderungen konfrontiert. Technische Innovationen und die gravierende Umgestaltung der Datenverarbeitung, die europäische Harmonisierung des Rechts und die zunehmenden Globalisierungstendenzen in allen gesellschaftlichen Bereichen erzwingen eine umfassende Modernisierung des gesamten Datenschutzrechtes und machen weltweite Regelungen zum Umgang mit personenbezogenen Daten unverzichtbar. Ohne eine neue Politik zum Schutz der Privatsphäre wird es keine verantwortbare Informations und Wissensgesellschaft geben; auch die immensen ökonomischen Potenziale blieben dann Makulatur. Will die Gesellschaft am Ziel eines freiheitlichdemokratischen Gemeinwesens festhalten, dann ist eine umfassende Modernisierung und Weiterentwicklung des Datenschutzrechtes zu einem modernen Informationsrecht unverzichtbar. Notwendig ist eine neue Politik zum Schutz der Privatsphäre.

Der Verwirklichung eines modernen und zeitgemäßen Datenschutzrechtes kommt nicht nur im Hinblick auf die Bewahrung der Grundrechte, vor allem des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, fundamentale Bedeutung zu. Eine weitere Herausforderung an das Datenschutzrecht resultiert nämlich aus der Bedeutung der informationellen Selbstbestimmung für die Akzeptanz der neuen Informations- und Kommunikationstechniken. Fehlendes Vertrauen in die neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten und die neuen multimedialen Dienste hätte unabsehbare wirtschaftliche Folgen. Europäische und deutsche Untersuchungen belegen eine zunehmende Sensibilität der Nutzerinnen und Nutzer hinsichtlich des Umgangs mit ihren Daten. Einem wirkungsvollen Datenschutz kommt damit, im Zusammenhang mit einem effizienten Verbraucherschutz, zunehmend die Bedeutung eines wichtigen Qualitätsmerkmals der neuen multimedialen Angebote und Dienste zu. Datenschutz wird sich zu einem entscheidenden Qualitätsmerkmal der neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten und damit zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil gerade im eCommerce entwickeln.

Modernisierung des Datenschutzrechtes bedeutet vor allem:
Das traditionell normativ ausgerichtete Datenschutzrecht muss um technikrechtliche und außerrechtliche Instrumente ergänzt werden. Zu nennen sind hier vor allem die Entwicklung eines innovativen Technikgestaltungsrechtes, die Ermöglichung und Stärkung des Selbstschutzes, die Schaffung von Transparenz (beispielsweise durch Auditierung), die Stärkung und Förderung der Selbstverantwortung und Stimulierung des Wettbewerbs. Hinzu kommen muss eine Stärkung der betrieblichen Datenschutz-beauftragten und der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Ihr Serviceauftrag ist auszubauen und ihre Zuständigkeit sollte um den Bereich der Akteneinsicht erweitert werden. Die Politik ist gehalten, durch eigene Nachfrage nach sicherer und datenschutzfreundlicher Technik Qualitätsstandards zu setzen, um somit auch den technischen Rahmen vorgeben zu können. So sollte bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten nur Software verwendet werden, die als sicher gilt und deren Quellcode offengelegt ist. Entstehen soll so ein "neuer" Datenschutz ein Regelungsmix - der für den Aufbau der globalen Wissens und Informationsgesellschaft geeignete Rahmenbedingung schafft und dies sowohl mit Blick auf die Bewahrung des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung wie auch mit Blick auf die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland.

Zweite Stufe als Modellprojekt der eDemokratie
Begrüßt wird die Ankündigung, in einem Zwei-Stufen-Verfahren das Datenschutzrecht umfassend zu modernisieren, da die gegenwärtige Umsetzung der EG-Datenschutzrichtlinie, die sogenannte 1. Stufe, nicht ausreicht. Erst mit der nun zu beginnenden 2. Stufe kann es gelingen, angemessene Rahmenbedingungen zu entwickeln, die den Datenschutz für die Herausforderungen der Wissens- und Informationsgesellschaft "fit machen". Begrüßt wird vor allem, dass noch in dieser Legislaturperiode ein Novellierungsentwurf für ein neues Bundesdatenschutzgesetz und, zumindest zum Teil, eine Neukonzeption des bereichsspezifischen Datenschutzes vorgelegt werden sollen. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass dieses Gesetzgebungsverfahren als Modellprojekt zur Verwirklichung der elektronischen Demokratie genutzt werden soll, um so nicht nur ein Höchstmaß an Transparenz des Verfahrens zu erreichen, sondern die direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Mit dieser neuen Beteiligungsform einer elektronischen Demokratie kann es gelingen, den enormen Sachverstand in der Gesellschaft fruchtbar zu machen. Das Projekt ist ein Experiment. Wenn es gelingt, könnte hier ein Stück neuer Gesetzgebungskultur und damit ein Mehr an Demokratie gelingen. Was zählt, ist das Argument und der kluge Gedanke. Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger auf, sich an diesem Gestaltungsprozess für das neue Datenschutzrecht aktiv unter der Adresse www.moderner-datenschutz.de -zu beteiligen.


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