Jörg Tauss, MdB


Anläßlich des Inkrafttretens des Gesetzes zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (IuKDG) und des damit verzahnten Mediendienste-Staatsvertrag der Länder am 1. August 1997, erklärt der Medienexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, MdB:

"Zukunftsminister Rückwärts"

Dem Inkrafttreten von IuKDG und Mediendienste-Staatsvertrag ging ein beispielloses medienpolitisches Trauerspiel voraus: Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers, der sich selbst gerne als "Zukunftsminister" sieht, war angetreten, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der eine "Schneise für Multimedia" schlagen sollte. Nötig wäre es, da die ünerkommene Medienordnung in Bund und Land der zunehmenden Konvergenz der Medien kaum noch gerecht wurde, die verfassungsmäßige Trennung in "Rundfunk" und "Nicht-Rundfunk" kaum noch die technische Realität abzubilden vermag.

Die tatsächlichen Gegebenheiten interessieren den "Zukunftsminister" jedoch wenig, sah er hier doch eine Chance für sich, wenn nicht die Rundfunkhoheit, so doch wenigstens die "Internethoheit" für den Bund zu erlangen. Gegenüber einer von seinen bisherigen Leistungen enttäuschten Fachöffentlichkeit hoffte er so, einen ersten technologiepolitischen Akzent setzen zu können.

Bei diesen Zielen verwundert es nicht, daß schließlich ein Gesetzespaket herausgekommen ist, das nach nahezu einhelliger Auffassung der Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft innovationshemmend wirkt, dem Vertrauen der Bürger und der Wirtschaft abträglich ist und Rechtsunsicherheit normiert. Im schlechtesten Fall wird die Zukunftsbranche Multimedia den deutschen Markt künftig vom Ausland aus bedienen, bis sich "der Staub der Verwaltungsstreitigkeiten in Deutschland wieder gelegt hat" (Zitat IBM), im besten Fall werden die Beteiligten die neuen Gesetze einfach ignorieren. Beides schadet unserem Land und unseren Bürgern.

Einen Forschungsminister, der dafür die unmittelbare Verantwortung trägt, kann man künftig nicht mehr mit dem Beinamen "Zukunft" adeln: "Rückwärts" ist das einzige Wort, das noch zu ihm paßt!

Indem sich die Bundesregierung an ünerkommenen Dualismen "Rundfunk" versus "Telekommunikation" orientiert, hat sie Rechtsunsicherheiten festgeschrieben, anstatt Rechtssicherheit zu schaffen und die Chance zu einer medienpolitischen Neuorientierung versäumt. Andauernde Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern werden die Folge sein, Wirtschaft und Justiz werden mit den Folgekosten der Klärung der nicht justiziablen Rechtsbegriffe belastet. Einen Vorgeschmack darauf gab es in den letzten Wochen bereits bei dem Thema "GEZ fordert Rundfunkgebühren für Internet-PC's".

Die im Einzelnen vorgesehenen Regelungen sind zum größten Teil unzureichend flexibel, werden dem Tempo der Entwicklung und der Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnik nicht gerecht und fördern die Herausbildung technischer und organisatorischer Strukturen, die international nicht wettbewerbsfähig sein können. Die globale Dimension des Internet wird, wie auch das Zusammenwachsen der bisher getrennten Bereiche Telekommunikation, Informationstechnik und Medien, schlichtweg ignoriert.

Anstatt eine "Schneise für Multimedia" zu schlagen, führen Doppelregulierung und Rechtsunsicherheit zu Investitionsentscheidungen außerhalb Deutschlands, droht der Kahlschlag einer ganzen Zukunftsbranche, sind Bürgerrechte und Grundfreiheiten in Gefahr.

Die positiven Aspekte des verabschiedeten Gesetzes, wie etwa das soganannte "Signaturgesetz", treten dahinter fast gänzlich zurück oder sind, wie bei diesem Beispiel, noch nicht ausgereift. International ist das Gesetzeswerk daher inzwischen auch schon durchgefallen, die von der Bundesregierung erhofften, positiven Signale für Investitionsentscheidungen blieben bislang aus.

Die teilweise massive Kritik der Sachverständigen bei den Anhörungen der Ausschüsse hat die Regierungskoalition geflissentlich überhört. "Minister Rückwärts" hat, um politische Erfolge ansonsten verlegen, mit enormen Druck den Gesetzentwurf durch die Beratungen des Bundestages gepeitscht und die vom Bundesrat und der SPD angemahnten Änderungen zurückgewiesen. Unverantwortlich, wenn man bedenkt, daß es sich bei dem "Signaturgesetz" um ein Jahrhundertwerk handelt, das eine Revolution für unsere gesamte Rechtskultur bringen kann.

Eine Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnik angemessene Beratung und Begutachtung des Gesetzes wollte "Rückwärts" aber offensichtlich lieber vermieden. Der kurzfristige, scheinbare Erfolg war ihm wohl wichtiger, als das Gedeihen des Innovationsbereichs "Multimedia".

Bonn, den 25.07.97 / moe


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