Jörg Tauss, MdB


Übersicht 06.08.02

Anlässlich der Medienberichterstattung über den Missbrauch von dienstlich erworbenen Flugmeilen durch einzelne Parlamentarier erklärt der Beauftragte für Neue Medien und zur Reform des Datenschutzrechtes der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss:

Presserat, Datenschützer und Ermittlungsbehörden sind gefordert:

Pressefreiheit und informationelle Selbstbestimmung dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden

Die aktuelle Debatte um die Berichterstattung in den Medien zur Bonusmeilen-Affäre droht falsche Gegensätze aufzubauen und so den Kern des Problems zu verfehlen. Weder ist die Aufklärungs- und Kontrollfunktion der Medien, für die sie mit dem hohen Gut der Pressefreiheit ausgestattet wurde, ursächlich für die Affäre, noch steht die informationelle Selbstbestimmung oder ein moderner Datenschutz dieser Aufgabe entgegen. Bei etwas genauerer Betrachtung berührt die Bonusmeilen-Affäre (mindestens) drei Probleme:

Erstens gibt es einen Missbrauch von dienstlich angefallen Flugmeilen durch Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Dies verstößt gegen Verhaltensregelungen für Abgeordnete des Deutschen Bundestages und ist in keiner Weise zu rechtfertigen. Unter diesem Aspekt haben die Medien ihre Aufklärungs- und Kontrollfunktion wahrgenommen und über Fehlverhalten oder einen zu behebenden Misstand berichtet. Dies wird wohl dazu beitragen, dass es dieses Fehlverhalten in Zukunft wohl nicht mehr geben wird.

Zweitens bleibt bei der gegenwärtigen Debatte die Frage offen, wie personenbezogene Daten eines deutschen Luftfahrtunternehmens an den Bund der Steuerzahler oder aber an die Medien gelangen konnten. Die Notwendigkeit von Datenschutz und Datensicherheit findet seine Bestätigung: Die Frage lautet, auf welche Weise Unternehmen personenbezogene Kundendaten schützen. Was im ersten Moment wie ein willkommener Akt politischer Aufklärung von Missständen aussehen kann, kann aus einem anderen Blickwinkel auch massive Sicherheitsfragen aufwerfen. Mit den bei der Lufthansa gespeicherten Daten können bei missbräuchlichen Zugriffen nahezu umfassende Bewegungsprofile von allen Stammkunden über mehrere Jahre erstellt werden. Angesichts der in den Medien berichteten Einzelheiten über die Nutzung von Bonusmeilen durch Bundestagsabgeordnete zwängt sich daher der Eindruck auf, dass hier kriminelle Energie am Werke gewesen sein muss. Keine Kritik verdient allerdings die Rechtsauffassung der Lufthansa, dem Bundestagspräsidenten eine Liste aller in Frage kommenden Miles&More-Nutzungen durch Abgeordnete aus datenschutzrechtlichen Gründen verweigern zu müssen. So verständlich und notwendig der Aufklärungswille auch ist - ein Unrecht kann nicht durch ein zweites gemildert werden.

Drittens bleiben aber auch offene Fragen hinsichtlich der gewählten Veröffentlichungsstrategie der Bild-Zeitung und der Wahrung publizistischer Grundsätze. So unbestritten, wie die Medien zur Aufklärung eines Missstandes beigetragen haben, so unbestritten ist aber auch, dass zu den obersten Geboten der Presse die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit gehört. Die Bild-Zeitung muss sich daher die Frage stellen lassen, ob sie mit ihrer "häppchenweisen" und selektiven Berichterstattung gegen die publizistischen Grundsätze verstoßen hat. Auch für den Umgang mit personenbezogenen Daten enthält der Pressekodex klare Vorgaben, die zweifelsfrei auch für die Berichterstattung über Missstände zu berücksichtigen sind. Ziel der Selbstkontrollverpflichtung ist die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Grundsätze in den Medien. Angesichts des gegenwärtigen Kampagnencharakters muss zudem die Frage der Wahrhaftigkeit der Berichterstattung überprüft werden, denn zu einer wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit zählt auch die Vollständigkeit. So mag es durchaus angezweifelt werden, ob das täglich Nennen neuer Namen und die gleichzeitige Ankündigung, über weitere Informationen zu verfügen, diesen Kriterien der Vollständigkeit genügen kann.

Zusammenfassend sind Datenschutzaufsichtsbehörden, der Deutsche Presserat und Ermittlungsbehörden aufgefordert, diese offenen Fragen zu überprüfen. So muss zum einen zweifelsfrei geklärt werden, ob die personenbezogenen Daten auf rechtmäßigen Wege erlangt worden sind. Seitens des Deutschen Presserates muss überprüft werden, ob bei der Berichterstattung über den Missbrauch der dienstlich angefallenen Flugmeilen die publizistischen Grundsätze verletzt worden sind. Wer öffentlich sagt, er verfüge über weitere Informationen, diese jedoch nicht veröffentlicht, sollte begründen können, warum er dies tut.

Sowohl bei der Pressefreiheit als auch beim Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung handelt es sich um hohe verfassungsrechtlich garantierte Güter, die beide Bedingung für eine freie und offene Gesellschaft und für eine feie Medienlandschaft sind. Wir sollten nicht zulassen, dass sie gegeneinander ausgespielt werden und so den klaren Blick auf die tatsächlichen Fragen und Probleme verdecken.


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