Berlin, den 05. Januar 2000
Vorschläge zur Änderung von markenrechtlichen Verfahrensvorschriften im Hinblick auf eine Bekämpfung des Mißbrauchs der Schutzrechte zum Zwecke der gewinnorientierten Rechtsverfolgung (sog. Markengrabbing)
In den vergangenen Monaten haben markenrechtliche Auseinandersetzungen zwischen den Inhabern von eingetragenen Schutzmarken und deren "unberechtigten" Nutzern eine bislang unbekannte öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Hintergrund ist die Eintragung von im Internet allgemein gebräuchlichen Bezeichnungen, wie beispielsweise "Explorer" oder "Webspace", als Marke beim Deutschen Patentamt und der sich daran anschließenden kostenpflichtigen Abmahnung einer Vielzahl von solchen Unternehmen und Personen, die diese Begriffe bereits vor ihrer Eintragung im Internet zur Kennzeichnung von Waren- und Dienstleistungen verwendeten.
In einer Reihe dieser Fälle ergab sich dabei der Verdacht, daß sowohl die Eintragung der Marke als auch das Mittel der Rechtsverfolgung durch anwaltliche Abmahnung weniger der Verteidigung der berechtigten Interessen der Markeninhaber diente, als vielmehr primär die aktive Generierung von Gebührenansprüchen der beteiligten Rechtsanwälte zum Ziel hatte. Die Marke selbst erwies sich nämlich in nahezu allen Fällen als materiell nicht schutzfähig. Vielfach gelang es jedoch, die Abgemahnten allein aufgrund der durch die Eintragung formal erlangten Rechtsposition zur Abgabe der geforderten Erklärungen und zur Zahlung der verlangten Gebühren zu bewegen. Dabei handelte es sich mehrheitlich um solche Unternehmen, die aus finanziellen Gründen eine Wahrung ihrer Rechte angesichts der enormen Streitwerte vor Gericht nicht führen konnten oder wollten. Zudem erwiesen sich viele der allgemeinen Zivilgerichte, die zur Klärung dieser Sachverhalte berufen sind, angesichts der Komplexität der Materie als überfordert.
Das Problem gewinnt zudem dadurch an Bedeutung, daß, nachdem der Fall "Webspace" Mitte September 1999 öffentlich bekannt wurde, die "Goldgräberstimmung" beim Geschäft mit der Reservierung von Domainnamen und kommerziellen Bezeichnungen neuen Auftrieb bekommen hat. Egal ob Profis aus der Multimediabranche, Studenten oder Informatikfreaks, alle wollen sich ihre "Nuggets" im Web nun als Marke sichern, um es auch in der realen Welt mit jedem Konkurrenten (gewinnbringend) aufnehmen zu können. Im ersten Halbjahr sind insgesamt bereits 35.000 Markenanmeldungen eingegangen. Man rechnet beim Patentamt für dieses Jahr mit insgesamt 74.000 Markenanmeldungen. Dies bedeutet eine Zunahme von 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bis September sind allein 15.000 Neuanmeldungen in den Kern-Klassen für Online- und Softwareanbieter angefallen. Entsprechend dürfte auch ein deutlicher Anstieg künstlich erzeugter Konfliktfälle zu erwarten sein. Zusätzlich stellt sich übrigens ergänzend das Problem, dass die belegten Namen nicht mit Inhalt gefüllt und zu Lasten seriöser Anbieter von Inhalten auf Jahre blockiert werden. Es wäre deshalb eine zeitliche Begrenzung von Markenrechten im Falle der Nichtnutzung bedenkenswert.
Der "Erfolg" der auch als "Markengrabber" bezeichneten Unternehmen und ihrer Rechtsanwälte stützt sich dabei im wesentlichen auf folgende rechtliche Besonderheit des Markenrechts (vgl. auch die Ausführungen bei www.gravenreuth.de):
Bei Anmeldung einer Marke darf aufgrund der Rechtslage und der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung das Patentamt nur in sehr engen Grenzen die Schutzwürdigkeit der zur Anmeldung gebrachten Marken überprüfen. Eine Klärung der materiellrechtlichen Fragen - insbesondere ob die Marke überhaupt schutzwürdig ist - obliegt somit im wesentlichen allein den örtlich zuständigen Zivilgerichten.
Bereits durch die bloße Eintragung einer Marke erlangt der Inhaber jedoch eine sehr starke formale Position, die er gegenüber allen anderen Verwendern dieses Begriffs nutzen kann, Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Wichtig ist dabei vor allem die fünfjährige Benutzungsschonfrist ab Eintragung der Marke beim Deutschen Patentamt. Innerhalb dieser Zeit muss die Marke vom Rechtsinhaber nämlich überhaupt nicht benutzt werden. Trotzdem hat er die Möglichkeit gegen identische oder verwechslungsfähige Kennzeichnungen im vollen Umfang Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Denn: Wer eine eingetragene Marke nicht beachtet, handelt fahrlässig und somit schuldhaft. Die Nichtbeachtung einer eingetragenen Marke führt insoweit problemlos zu Schadenersatzansprüchen.
Dabei ist der "Verletzungsrichter" an die Eintragung einer Marke gebunden. Er kann nicht argumentieren, daß die Marke als beschreibende Angabe nicht eintragungsfähig wäre. Er hat nur im Rahmen von § 23 MarkenG einen sehr begrenzten Bereich, in dem er trotz Eintragung eine Verletzung einer identischen Kennzeichnung verneinen kann.
Die Nichtbenutzung einer Marke ist erst dann relevant, wenn ein Verletzer sich hierauf beruft (Nichtbenutzungseinwand). Somit führt auch eine Benutzungsaufnahme nach Ende der fünfjährigen Benutzungsschonfrist zu einer rechtserhaltenden Benutzung, sofern bis dahin kein Nichtbenutzungseinwand erhoben wurde.
Kommt es im Rahmen eines sog. "Löschungsverfahrens" zur Löschung einer Marke aus dem Register, so bleiben dennoch in der Praxis alle bis dahin auf Grund der formalen Rechtsposition erwirkten Schadensersatzzahlungen rechtswirksam gültig. Gegen Ansprüche aufgrund der formalen Rechtsposition wehren kann sich der mit Abmahnungen und einstweiligen Verfügungen überzogene "unberechtigte Verwender" im wesentlichen nur durch den (zunächst) kostenträchtigen Gang zum Gericht.
Das deutsche MarkenG stellt eine Umsetzung der EU-Richtlinie 89/104 dar. Diese Richtlinie beinhaltet, abgesehen von verfahrensrechtlichen Fragen, praktisch keinen gesetzgeberischen Spielraum für den nationalen Gesetzgeber. Eine Bekämpfung der noch zu erwartenden Steigerung der Konfliktfälle bei Markennamen durch die "virtuelle zweite Welt" durch gesetzliche Maßnahmen, wie das in den USA vorbereitete "Trademark Cyberpiracy Prevention Act" gegen das "Cybersquatting", steht dem deutschen Gesetzgeber daher nicht zur Verfügung um die "böswillige" Registrierung von Markennamen zu bekämpfen.
Im Interesse der Bekämpfung von Mißbrauch des Markenrechts und einer dadurch (mit-)verursachten Behinderung des Internet in Deutschland will ich Ihnen nachfolgend Vorschläge für eine Lösung des Problems unterbreiten. Denn bereits durch verfahrensrechtliche Änderungen, wie nachfolgend skizziert, könnte der Schutz vor den zur Zeit häufigsten Fällen des Mißbrauchs deutlich erhöht werden:
Bereits beim Patentamt sollte ein dem bisherigen Rechtsweg vorgeschaltete unabhängige Stelle oder ein Markengericht erster Instanz Feststellungen über die materielle Rechtmäßigkeit einer Marke treffen können. Diese Stelle müßte mit bundesweiter Zuständigkeit beim Patentamt angesiedelt sein. Sie soll insbesondere auf Anzeige von jedermann hin und von Amts wegen den Sachverhalt ermitteln können und in all den Fällen formeller wie materieller Fehler, vor allem also wenn die Marke nicht die nötige Unterscheidungskraft aufweist, die Löschung einer Marke rechtskräftig verfügen können. Der Beschluß der Stelle, auf eine Anzeige hin ein Überprüfungsverfahren einzuleiten, könnte dabei im Regelfall für die Dauer des Verfahrens alle formalen Rechtspositionen des Markenrechtsinhabers suspendieren und müsste ihm insbesondere die Verwirklichung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen, soweit diese nicht schon erledigt sind, abschneiden. Über Ausnahmen beschließt die Stelle auf Antrag.
Gegen Beschlüsse und Urteile der (verwaltungsrichterlichen) Stelle sollte anschließend der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sein. Zugleich sollen Anzeigeerstatter wie auch Markenanmelder, die ansonsten nicht mit Gebühren belastet werden, in Fällen offensichtlichen Mißbrauchs der Anmelde- bzw. Anzeigemöglichkeit von dem Gericht zur Zahlung einer Mißbrauchsgebühr beginnend ab DM 500 bis zu DM 5000 je Anzeige bzw. Meldung verpflichtet werden können. Ein solcher Beschluß ist gegen einen Anzeigeerstatter auch in den Fällen möglich, in denen die Stelle das Überprüfungsverfahren nicht eröffnet. Schadensersatzansprüche bleiben davon unberührt, ansonsten tragen die Parteien ihre Kosten stets selbst.
Dieser Vorschlag könnte ein geeigneter "Filter" für eine Vielzahl der heutigen wie der zu erwartenden Fälle markenrechtlicher Streitigkeiten sein und würde durch Spezialisierung und bundeseinheitliche Rechtsprechung eine deutliche Entlastung und Verbesserung der Rechtspflege in den Fällen bringen, in denen die Interessenlage deutlich in Richtung Mißbrauch der formalen Rechtsposition hinweist. Gleichzeitig würde durch Einbeziehung der bisherigen Rechtsschutzmöglichkeiten in den "höheren" Instanzen eine Kontinuität hinsichtlich bewährter Rechtsprechung herstellen lassen. Die Möglichkeit der Verhängung einer Mißbrauchsgebühr schließlich dürfte hohe "erzieherische Wirkung" gegen die mißbräuchliche Nutzung der rechtlichen Möglichkeiten im Bereich des Markenrechts entfalten und eine weitere Behinderung der Internet - Entwicklung in Deutschland verhindern helfen.
Ich bitte Sie sehr herzlich, dieses drängende Problem aufzugreifen und unter Beteiligung der mitberatenden Arbeitsgruppen der SPD - Bundestagsfraktion einer raschen Lösung zuzuführen.