Jörg Tauss, MdB


Kulturverträglichkeit der neuen Medien -- eine Illusion?

Anmerkungen zum Zusammenhang von Kommunikation, Medien, Kultur und sozialem Wandel - Herausforderungen für die Politik

Beitrag zum Kongreß "Lesen in der Informationsgesellschaft - Perspektiven der Medienerziehung" Baden-Baden, 22./23. November 1996


I.

Wenn man dem SPIEGEL Glauben schenken darf, hat auf der Frankfurter Buchmesse ein Gespräch zwischen Johannes Gutenberg, dem Pionier der Buchdruckerkunst, und Bill Gates, dem Begründer von Microsoft, stattgefunden, welches dankenswerter Weise von John Updike aufgezeichnet wurde. In diesem Gespräch sagt Gates, schon etwas gereizt infolge dieses Disputs über hoffnungslos veraltete Technologien, zu Gutenberg: "Ihre Zeit ist um, alter Freund, Ihre fünf Jahrhunderte, um genauer zu sein, und jetzt werden Ihre schwerfälligen, verstaubenden, ganze Wälder vernichtenden Drucksachen weggepackt. Die Buchmesse unter uns ist in Wahrheit eine Totenfeier, genau wie, in den Worten Ihres großen Philosophen Nietzsche, Kirchen in Wahrheit die Gräber, die Grabdenkmale Gottes sind." Und Gutenberg antwortet folgendes: "Vielleicht ist das Buch, wie Gott, eine Idee, an der einige Menschen festhalten werden. Die Revolution des Buchdrucks hat einen natürlichen Verlauf genommen. Wie ein Fluß ist das gedruckte Wort zu seinem Leser geflossen, und die billigen Mittel seiner Verbreitung haben es ihm erlaubt zu tröpfeln, wo der Kanal zu eng war. Die elektronische Flut, die Ihr beschreibt, kennt keine Ufer. Sie überschwemmt alles, aber womit und für wen? Ihre Inhalte wirken so klein, gemessen am Genius ihrer Technologie." (1) In dem kurzen Auszug aus diesem Gespräch, das im übrigen nicht der fünf Jahrhunderte Unterschied der Gesprächspartner bedarf, werden in einer Momentaufnahme drei zentrale Punkte der gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskussion um die Zukunft der Informationsgesellschaft und deren Risiken angesprochen.

Damit ist schließlich auch der Rahmen dieses Referates abgesteckt.

II.

Die Fragestellung nach der Kulturverträglichkeit der neuen Medien und ihre Kennzeichnung als Illusion impliziert m.E. eine Grundannahme, welche die gesamte Debatte über die Gestaltung der zukünftigen Informationsgesellschaft bestimmt: Der sich gegenwärtig vollziehende Wandel der Gesellschaft zur Informationsgesellschaft wird - wie bereits angesprochen - in erster Linie als wirtschaftlich-technologischer Wandel, und erst in zweiter Linie als sozialer oder kultureller Wandel begriffen. Technologische Innovationen gelten als Motor der gesellschaftlichen Entwicklung, als vorauseilende Kraft. Die Kultur wird in diesem Verständnis als sich dieser Entwicklung anpassende und ewig nachhinkende Größe behandelt. So ist beispielsweise im Vorwort des Berichtes der Bundesregierung "Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" nachzulesen: "Die führenden Industrieländer und damit auch die Bundesrepublik Deutschland stehen an der Schwelle des 21. Jahrhunderts vor einem Sprung in ihrer wirtschaftlich-technologischen Entwicklung, der hin zur Informationsgesellschaft führt. Dieser Wandel ist keine Vision, sondern bereits in vollem Gange." Und weiter ist zu lesen: "Die modernen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten lösen nach allgemeiner Einschätzung einen technisch-wirtschaftlichen Wandel aus, der in Ausmaß und Folgewirkungen mit dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft zu vergleichen ist."

Als Gründe für diesen Wandel werden die Entstehung eines eigenständigen Bereichs des Wirtschaftssystems - der sogenannten Informationswirtschaft -, die steigende Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich, das Zusammenwachsen von Computertechnik, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik, die Verwischung der Grenzen zwischen Industrie und Dienstleistungen und die wachsende Bedeutung der Verarbeitung und Vermittlung von Informationen angegeben. Abgesehen davon, daß man, um einen solchen Wandel zu diagnostizieren, nicht unbedingt sehr visionär sein muß, beschreibt diese Sichtweise nur einen Ausschnitt des derzeitigen Gesellschaftsumbruchs - mit der Folge, daß diese eingeschränkte Sichtweise auch die Konzepte zur Gestaltung bestimmt. Problematisch ist vor allem, daß die hier verwendeten Indikatoren zur Identifizierung der Informationsgesellschaft ebenfalls nur auf ökonomischen und technologischen Merkmalen basieren. Ob allerdings die Anzahl der in einem bestimmten Bereich Beschäftigten und das in diesem Bereich erwirtschaftete Bruttosozialprodukt, ergänzt um Verbreitungszahlen neuer technischer Geräte, zur Beschreibung des sozialen Wandels und dem Entstehen einer Gesellschaftsstruktur genügen können, darf wohl angezweifelt werden. Diese Daten deuten, entgegen manchen wachstumseuphorischen Aussagen, einen basalen Wandel der Gesellschaftsstruktur allenfalls an. Sie als die entscheidenden Identifikationsmerkmale einer neuen Gesellschaftsformation anzusehen, hieße, gesellschaftliche Entwicklung allein mit wirtschaftlicher und technologischer Entwicklung gleichzusetzen. Eine solche Perspektivierung reduziert aber sozialen und kulturellen Wandel der Gesellschaft auf technologischen Fortschritt und auf nur einen gesellschaftlichen Teilbereich, auf das Wirtschaftssystem. Der Komplexität moderner Gesellschaften und der Komplexität sozialer Veränderungsprozesse kann eine solche reduktionistische Sichtweise nicht gerecht werden. Sozialer und kultureller Wandel folgt keineswegs allein technischen oder ökonomischen Rationalitäten, sondern muß vielmehr als komplexer `gesamtgesellschaftlicher' Prozeß begriffen werden. (2)

Ein simpler Blick in die Geschichte der Kommunikation und Medien belegt dagegen, daß sie engstens mit der Geschichte des Menschseins verknüpft ist. Die Geschichte der gesellschaftlichen Entwicklung ist immer auch Mediengeschichte. Viel treffender als der Vergleich mit dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft ist daher die Parallele mit den Gesellschaftsumbrüchen, die als Folge neuer Kommunikationsmittel- und möglichkeiten angesehen werden - etwa mit der Erfindung der Schrift und des Buchdrucks.

III.

Es fällt auf, daß das Entstehen neuer Medien seit jeher begleitet wird von den Fragen nach den möglicherweise auftretenden Wirkungen auf den einzelnen, auf die Kultur und Gesellschaft. Bereits die Erfindung der Schrift wurde von Platon mit Sorge betrachtet, da mit der Erfindung des Alphabets den Seelen der Lernenden Vergessenheit eingeflößt werde, weil sie im Vertrauen auf die Schrift sich nur von außen vermittels fremder Zeichen, nicht aber innerlich sich selbst und unmittelbar erinnern werden. (3) Auch die Erfindung des Buchdrucks wurde zunächst sehr kritisch beurteilt: Kritiker prangerten die Lesesucht der Bürger als Quelle kultureller Verflachung, Verdummung und Verrohung an. Im Jahre 1790 prüfte gar der Bremer Rat offiziell die Lesewut der Bremer Bürgerschaft - konnte jedoch keinen nachteiligen Eindruck auf Charakter und Denkungsart entdecken. (4)

Nun ist nicht nur vom Entstehen eines neuen Mediums sondern vom Entstehen einer neuen Gesellschaftsformation die Rede: der Informationsgesellschaft. Begleitet wird diese Entwicklung von einem Chor euphorischer Stimmen auf der einen Seite, die mit dieser Entwicklung zwangsläufig auch eine bessere Gesellschaft verbinden. Daneben sind aber inzwischen auch Stimmen zu hören, die diese Entwicklung eher mit Skepsis und mit Sorge betrachten. Dabei fällt auf, daß die aktuelle Diskussion um die Gefahren der Informationsgesellschaft mit nahezu identischen Argumenten geführt wird. Platons Befürchtungen einer von der unmittelbarer Erfahrung losgelösten Kommunikation finden sich - wenn auch in einer etwas anderen Begrifflichkeit - in vielen Reden über Risiken der Medienkommunikation ebenso wieder, wie die Befürchtungen, die einst als die Gefahren des Buchdrucks und des Lesens angesehen wurden: Isolierung und Einsamkeit, Verdummung, Verflachung der Kultur.

Mit der hier gestellten Frage nach der "Kulturverträglichkeit der neuen Medien - eine Illusion?" rücken die Folgen und Auswirkungen der neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten auf den Einzelnen, auf die Kultur und Gesellschaft in den Mittelpunkt der Überlegungen. Ohne mich als Politiker auf die kulturtheoretische Diskussion über die Definitionen von Kultur einlassen zu wollen und zu können, so fällt doch auf, daß diese Fragestellung die Verschiedenheit - wenn nicht gar die Gegensätzlichkeit - zwischen Medien und Kultur postuliert. In der deutschen Diskussion wird in der Tradition des 19. Jahrhundert Kultur oft gleichgesetzt mit den "hohen und schönen Künsten", also mit Literatur und Dichtung, mit bildender Kunst, mit Musik und Theater. Auffällig ist auch, daß Kommunikation und Medien in einem solchen Kulturverständnis entweder gar nicht vorkommen oder aber nur eine untergeordnete Rolle spielen - und das, obwohl unsere heutige Gesellschaft schon seit geraumer Zeit als "Mediengesellschaft" beschrieben wird. Vielmehr werden die neuen Medien in der öffentlichen Debatte als Bedrohung der Kultur angesehen. So haben sich - wie das Gespräch zwischen Gates und Gutenberg allzu deutlich zeigt - einige Theoretiker und Propagandisten der Informationsgesellschaft vom gedruckten Wort bereits verabschiedet, mit dem - nicht ganz neuen - Argument, die neuen Medien machten Bücher und Bibliotheken überflüssig.

Der Blick allein auf die Folgen verdunkelt jedoch mehr, als er erhellt. Eine solch eingeschränkte Perspektive folgt dem eingangs beschriebenen technologischen Determinismus. Wir beschränkten uns damit bei der Analyse des gesellschaftlichen Wandels auf die passive Rolle des bloßen Nutzers und verhülfen mit dieser Haltung der Idee einer technologischen Eigendynamik erst zur Wirksamkeit. Ich möchte Ihnen in einem ersten Schritt vorschlagen, die Blickrichtung umzukehren. In den Blick zu nehmen sind nicht mehr nur die Folgen neuer Medien und neuer Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten für das Individuum, für Kultur und Gesellschaft. Vielmehr soll das Augenmerk in der gebotenen Kürze zunächst auf den m.E. grundlegenden Zusammenhang zwischen Kommunikation, Medien, Kultur und gesellschaftlicher Entwicklung gerichtet werden - oder mit anderen Worten: es soll der Versuch einer "kulturgeschichtlichen" Einordnung der "traditionellen" und der sogenannten "neuen Medien" erfolgen. Dieser kurze mediengeschichtliche Überblick soll zum einen deutlich machen, daß Kommunikation und Medien auf der einen und Kultur auf der anderen Seite nicht als voneinander unabhängige Teilbereiche der Gesellschaft gedacht werden können, sondern vielmehr Kehrseiten ein- und derselben Medaille sind. Darüber hinaus soll die Bedeutung, die Medien bereits heute innehaben, aufgezeigt werden.

Neuere Ansätze der Soziologie, der Kultur- und Kommunikationswissenschaft gehen davon aus, daß die Evolution von Gesellschaftsstruktur, Kultur, Kommunikation und Medien eng miteinander verbunden sind. Mit der Evolution vom Kommunikation und Medien - also mit den strukturellen Veränderungen der Kommunikationsmittel und -möglichkeiten - einher geht die Evolution der Gesellschaft. (5) Mit anderen Worten: Kommunikationsmittel und -möglichkeiten bestimmen die Strukturen einer Gesellschaft, sie bestimmen über deren Größe, Reichweite und Stabilität.

Mit der Sprache verfügt der Mensch über ein Medium, also ein Instrument, das es erlaubt, nicht nur mittels "Signalen" auf Verhalten zu reagieren, sondern durch das und mit dem sich Kommunikation entfalten läßt. Die Sprache erlaubt Negation und die Abstraktion durch Formulierung von Begriffen und Definitionen - und damit die Ablösung vom eigentlichen Verhalten. Desweiteren erlaubt Sprache die Ausbildung von Regelungen oder Normen für das alltägliche Zusammenleben. Die Größe und Stabilität von Gesellschaften, die allein über das Medium Sprache verfügen, ist jedoch begrenzt: Die Reichweite der Gesellschaft ist - zeitlich und räumlich - begrenzt durch die notwendige Erreichbarkeit ihrer Mitglieder. Diese notwendige Erreichbarkeit der Mitglieder illiterater (schriftloser) Gesellschaften lasse sich beispielsweise noch heute an der Größe mittelalterlicher Marktplätze erkennen. Denn im Mittelalter, als Schrift und Buchdruck längst erfunden waren, konnte der überwiegende Teil der Bevölkerung weder lesen noch schreiben. Die Stabilität der Gesellschaft ist begrenzt durch die Unsicherheiten, die daraus resultierten, daß Informationen ausschließlich von Mund-zu-Mund weitergegeben werden konnten. Die korrekte Wiedergabe war nicht zweifelsfrei zu sichern. Mnemotechnische Verfahren des Auswendiglernens oder die metakommunikative Absicherung durch die Verwendung von Siegeln oder die Garantie der Glaubwürdigkeit durch die Bekanntheit des Boten versuchten diese Unsicherheiten abzubauen - jedoch blieb die Gewißheit: "So viele Münder, so viele Wahrheiten." Damit ist natürlich nicht gemeint, daß dieser Satz heute - zumal in der Politik - keine Gültigkeit mehr hätte. Dennoch:

Die Erfindung der Schrift ist die Antwort auf die Unsicherheiten der Mund-zu-Mund-Kommunikation. Die Verfügbarkeit der Schrift erlaubt es schließlich, den Radius von Gesellschaften enorm auszudehnen und ihre Stabilität zu erhöhen. Durch die schriftliche Fixierung von Aussagen konnte nun eine Dauerwirkung der fixierten Aussagen erreicht, Informationen konnten in verläßlicher Form gespeichert werden. Daß diese Errungenschaft, nämlich die verläßliche Speicherung unter dem Stichworten Datensicherheit und Urheberrecht auch eine der zentralen Herausforderungen an die entstehende Informationsgesellschaft ist, sei hier nur am Rande vermerkt. Die Schrift garantierte die Wiedergabetreue der Informationen, die nun im Prinzip für beliebig viele Personen bereitgestellt werden konnten. Ein weiterer Durchbruch kam mit der Erfindung der Druckkunst im Jahre 1455, dem ersten technischen Massenmedium, das den möglichen Adressatenkreis nochmals um ein Vielfaches vergrößerte. Die wirklich revolutionären Folgen des Buchdrucks lassen sich jedoch erst im nachhinein erschließen. Die Loslösung aus der geistigen Vorherrschaft und dem Weltentwurf-Interpretationsmonopol der Theologie, die Ausbildung der Wissenschaften, das Entstehen von Zeitungen und dem Prinzip Öffentlichkeit, die Entwicklung demokratischer Prinzipien, die Entwicklung einer einheitlichen Hochsprache, die Schulpflicht, die Liste ließe sich beliebig verlängern - all das sind die unvorhergesehenen Folgen des Buchdrucks, all das wäre ohne die Möglichkeit des gedruckten Wortes undenkbar gewesen.

Betrachtet man die Zahlen zur Entwicklung der Medien, so läßt sich zudem in den letzten vierhundert Jahren eine enorme Beschleunigung feststellen: Vergingen vom Erscheinen der ersten Zeitung im Jahre 1609 noch rund zweihundert Jahre, bis im Jahre 1809 der Telegraph erfunden wurde, hat sich die Evolution der Kommunikation danach erheblich beschleunigt. In immer kürzeren Abständen treten neben die vorhandenen Medien neue Kommunikationsmöglichkeiten und fördern wiederum das Entstehen neuer Medien. Ein paar Zahlen mögen dies verdeutlichen: 1872 wurde das Telefon, 1895 der Film, 1918 das Radio, 1931 das Fernsehen, 1971 Satelliten-TV und 1979 wurde das Telefax erfunden, 1980 ging BTX an den Start. Der Blick auf die Geschichte der Medien belegt auch, daß bisher noch kein neues Medium ein älteres gänzlich verdrängt hat. Vielmehr treten neue Medien neben die vorhandenen und ergänzen diese.

Gegenwärtig erleben wir die "Sturzgeburt" eines neuen Mediums, das viele Namen hat: Internet, Datenautobahn oder auch Multimedia. Dieses neue Medium wird die Gesellschaft so gravierend verändern, daß von einer neuen Gesellschaft gesprochen werden kann: der Informationsgesellschaft. Dabei führt das Wort Multimedia ein wenig in die Irre: Kennzeichen des neuen Mediums ist nicht das "Viele", Kennzeichen ist vielmehr das Integrieren der bisher nebeneinanderstehenden Medien in einem einzigen. Das Internet integriert Potentiale der mündlichen Direktkommunikation (Plausch oder Telefongespräch), der Printmedien (Brief, Flugblatt, schwarzes Brett, Zeitung und Buch), der audio-visuellen Medien (Rundfunk, Fernsehen, Video). Es steigert deren Kapazität (durch höhere Archivierungs- und Speicherfähigkeit) und Transaktionsdichte (als many-to-many- Medium). Kennzeichen der neuen Gesellschaft ist nicht nur das Vorhandensein dieser neuen Medientechnologie, Kennzeichen ist vielmehr die erneute Ausdehnung der Reichweite der Gesellschaft aufgrund der globalen Vernetzung. Oder, um beim oben erwähnten Bild des mittelalterlichen Marktplatzes zu bleiben: Mit dem Ausbau einer globalen Informations-Infrastruktur entsteht eine Art Marktplatz der globalen Informations-(Welt-)Gesellschaft - ein Marktplatz, auf dem nicht nur mit Waren gehandelt, sondern auf dem auch über Wissen und Werte, über Lebensentwürfe und um die Zukunft der Gesellschaft verhandelt wird.

Die Bedeutung, die die Medien bereits heute haben, beschreibt der Bielefelder Soziologe Niklas Luhmann mit dem Satz: "Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch Massenmedien". (6) Das trifft natürlich auch für die Kultur zu, und damit offenbart sich folgende Schwierigkeit: Was wir über Kultur - und auch über die Kulturverträglichkeit - wissen, wissen wir durch Medien. Bezogen auf die hier formulierte Themenstellung etwas provokativ ausgedrückt: Medien und Kommunikation konstituieren erst die moderne Gesellschaft und die gesellschaftliche Kultur; in der modernen Gesellschaft sind sie unabdingbar in der Generierung von Wissen, Werten und Weltbildern. Den Medien kommt damit in der modernen Gesellschaft eine grundlegende Bedeutung zu: Sie bieten Orientierungswissen für alle Lebensbereiche an, sie begleiten Menschen in allen Tagessegmenten von der Berufsarbeit bis zur abendlichen Entspannung. Kommunikation und Medien prägen die individuelle Sozialisation und die kollektiven Wissens- und Wertbestände der modernen Gesellschaft. Medien stellen Zusammenhänge her, die durch die Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft verloren gegangen sind. Medien haben in der modernen Gesellschaft die Funktion, durch Bereitstellung von Informationsangeboten die Integration der Gesellschaft zu garantieren. Sie schaffen eine imaginäre Einheit einer in ihre Teilbereiche zersplitterten Gesellschaft und halten damit- etwas gewagt formuliert- die Gesellschaft aufrecht. Sie füllen Lücken, etwa solche, die durch fortschreitende Ablösung der Familie und anderer tradierter Sozialverbände, aber auch der Schule, als zentrale Sozialisationsinstanzen entstehen. (7)

IV.

Kehren wir nach diesem kurzen Ausflug in die Mediengeschichte zurück zur Bedeutung des gegenwärtigen Umbaus zur Informationsgesellschaft. In der Politik werden derzeit die Weichen gestellt, in welche "Informationsgesellschaft" die Reise gehen soll. Die Kulturverträglichkeit der neuen Medien wird daher - um die Fragestellung wieder aufzugreifen und gleichzeitig den Blick zu erweitern - in entscheidender Weise von den Weichenstellungen der Politik abhängen, die "Kulturverträglichkeit der Medien" wird bestimmt von der "Kulturverträglichkeit der Medienpolitik".

Wer jedoch in den "Schlachtlärm medienpolitischer Kontroversen" (8) - und das gilt für die deutsche wie für die europäische Diskussion gleichermaßen - hineinhört, wird wenig darüber erfahren, wie eine Kommunikationsordnung der Zukunft aussehen könnte, die die vielen wohlfeilen Verheißungen einlösen kann - Verheißungen von einer demokratischeren Gesellschaft mit einer größeren Teilhabe aller, Verheißungen von neuen Arbeitsplätzen und neuen Märkten, Verheißungen eines besseren Lebens.

Eine fundierte Diskussion über die Möglichkeiten der Gestaltung und über die rechtlichen Rahmenbedingungen einer tragfähigen Kommunikationsordnung in einer globalen Informationsgesellschaft, die diese Anforderungen einlösen können, hat noch nicht einmal richtig begonnen. Daher kann es auch nicht verwundern, daß nur zu einzelnen Teilaspekten mehr oder minder ausgereifte Konzepte vorliegen. Die vorgelegten Konzepte - als Beispiele seien hier nur das bereits verabschiedete Telekommunikationsgesetz und das im Entwurf vorliegende Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz in Verbindung mit dem Medienstaatsvertrag genannt - werden den Anforderungen einer zeitgemäßen Kommunikationsordnung nicht gerecht.

Dies vor allem aus zwei Gründen: Zum einen, weil es bis heute nicht gelungen ist, die - wie Peter Glotz es formulierte - "Schachtelpolitiken" zu überwinden. Der zweite Grund für das zwangsläufige Scheitern derzeitiger Medienpolitik ist vor allem an der einseitigen Orientierung an Technik und Markt zu sehen. Obwohl - auch in der Politik - immer wieder von der Konvergenz zwischen Medien- und Telekommunikation die Rede geführt wird, werden noch immer die traditionell getrennten Bereiche auseinandergedacht. Ob diese Unterscheidungskriterien angesichts der Dynamik dieses Prozesses Bestand haben können, darf wohl bezweifelt werden. Gleiches gilt für die Zauberworte der gegenwärtigen Politik, die da lauten: Deregulation und Liberalisierung. In keinem Konzept der Bundesregierung oder der Europäischen Kommission fehlt der Verweis auf die "Zauberkraft" des Marktes. Natürlich wird dem Markt logischerweise - schon angesichts der Milliardenallianzen der Global Player - eine enorme Bedeutung zukommen, aber eben nicht allein! Es wächst zusammen, was bisher noch nicht zusammengehörte. Konkurrent eines Medienriesen wie Bertelsmann könnte in Zukunft durchaus ein Telekommunikationsunternehmen wie MCI sein - Hinweise deuten dies bereits an.

Auch die Einordnung der neuen Dienste in Rundfunk- und Multimedia- Dienste, die Formulierung rechtlicher Rahmenbedingungen für die digitale Signatur und der Gewerbeschein des Zukunftsministers sind unbestritten wesentliche und weniger wesentliche Elemente einer solchen zu entwickelnden Kommunikationsordnung. Gerade den Fragen nach der Bewahrung des hohen Gutes der Meinungsfreiheit oder nach den Möglichkeiten der Verschlüsselung kommt unter der Fragestellung "Bewahrung von Freiheitsrechten" enorme Bedeutung zu, jedoch fehlt zur Einordnung dieser Teilaspekte der dazu notwendige Rahmen einer umfassenden Kommunikationsordnung der Zukunft - vom Fehlen eines tragfähigen Leitbildes einer demokratischen Informationsgesellschaft ganz zu schweigen. Die Antwort ist immer die gleiche: Der Markt wird's schon richten. Auffällig ist, daß gerade die Konfliktpotentiale der entstehenden Informationsgesellschaft, die auf bestehende oder neu zu definierende Grundrechte verweisen, in der aktuellen politischen Diskussion bisher ausgespart bleiben. Drei Beispiele mögen dies verdeutlichen:

Zweifel dürften also angebracht sein, ob der alleinige Verweis auf die Zauberkraft des Marktes ausreicht, wenn man sich die Bedeutung der Medien bei der Erzeugung von gesellschaftlichem Wissen und Werten und bei den Entwürfen von Weltbildern vergegenwärtigt. Die Sozialisation der Bürgerinnen und Bürger, die Erzeugung von gesellschaftlichem Wissen, die Prägung von Weltbildern - dies sind doch Dinge, die der Kulturstaat nicht allein den Kräften des Marktes und damit gegebenenfalls den Marktmächtigen überlassen darf. Doch auch wer nicht allein auf den "sozial blinden" Markt vertrauen will, und auf eine gestaltende Medienpolitik setzt, wird feststellen müssen, daß das Festhalten an regulatorischen Instrumenten der Vergangenheit nicht mehr trägt. Die globale Reichweite des derzeitigen Umbruchs und die Dynamik, mit der sich dieser Prozeß vollzieht, erfordern neue Denk-Ansätze.

Wenn den Medien eine solche immense Bedeutung zukommt, so gilt es, tragfähige Konzepte der Medienregulierung zu entwickeln. Das bedeutet nicht Überregulierung und erst recht nicht Inhaltskontrolle oder Bevormundung. Das bedeutet vielmehr, das Ziel einer offenen Gesellschaft neu zu formulieren:

Will die moderne Gesellschaft an ihrem Ziel festhalten, eine möglichst breite Palette von Lebensentwürfen auf der Basis einer noch immer solidarischen Gesellschaft zuzulassen, die die Entfaltung aller erst ermöglicht, will sie die kommunikative Entfaltungsmöglichkeit aller zulassen, die in Zukunft die freie Entfaltung noch entscheidender bestimmt als heute, dann zählt zu den wichtigsten Aufgaben der Gegenwart, eine zukunftsfähige Kommunikationsordnung zu entwerfen, die diese reale Freiheit auch in der Informationsgesellschaft sichert. Es bedarf einer Struktur der Medien-, Wissens- und Informationsgesellschaft, die dies faktisch zuläßt.

Dabei kommt vor allem zwei Themenbereichen eine immense Bedeutung zu: Zuerst wäre die Frage des Zugangs zu Informationen zu nennen. Gegenwärtig läßt sich ein wachsender Konsens beobachten, daß Machtprobleme der Zukunft verstärkt als Zugangsprobleme zu Informationen analysiert und behandelt werden müssen. So fehlt inzwischen in kaum einer (Sonntags-)Rede der Appell, daß eine Spaltung der Gesellschaft in "information rich" und "information poor" verhindert werden müsse. Wie dies jedoch geschehen soll, darüber schweigt man sich aus.

Über Parteigrenzen hinweg dürfte Konsens darüber bestehen, daß gerade in einer Informationsgesellschaft der Zugang zu Informationen sichergestellt und daß Zugangsfilterung verhindert werden müssen. Die Frage ist nur - und hier herrscht leider noch kein Konsens -, wie kann man diesen Anspruch verwirklichen? Bisherige Regelungen im Medien- und Telekommunikationsbereich werden teilweise aufgrund der unbestritten notwendigen Liberalisierung, teilweise aufgrund technischer Entwicklungen - Stichworte sind Konvergenz, Digitalisierung und Datenkompression - oder aber aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen - Stichwort Globalisierung - obsolet. Neue Konzepte sind nicht in Sicht. Dennoch gilt es, die Zugangsprobleme ernst zu nehmen. Unterscheiden lassen sich drei Typen von Zugangsproblemen. Zum einen sind es Zugangsprobleme bei der Produktion von Kommunikationsinhalten, Zugangsprobleme bei Übertragungswegen und schließlich Zugangsprobleme der Nutzer, der Rezipienten. Für letztere wurde mit der Verabschiedung des Telekommunikationsgesetzes - wie bereits angesprochen - versäumt, dafür den notwendigen Rahmen zu schaffen. Hier hätte die Möglichkeit bestanden, als Universaldienst nicht einen minimalen Basisdienst - im Wortlaut: Sprachtelefonie mit ISDN- Leistungsmerkmalen wie Anklopfen oder Anrufweiterschaltung - zu definieren, sondern diesen vielmehr auf die ganze Palette "medialer Daseinsvorsorge" (12) der Wissens- und Informationsgesellschaft - also auch auf Medienkommunikation - auszudehnen.

Nicht nur vor dem Hintergrund der Fragestellung nach der Kulturverträglichkeit der neuen Medien stellt sich dann die Frage nach dem Umgang mit Informationen. In der gesellschaftspolitischen Diskussion über die Zukunft der Informationsgesellschaft wurde in letzter Zeit kaum ein Wort so mißbraucht wie der Terminus "Medienkompetenz". Gemeint ist damit - zumindest in der politischen Diskussion - meist nur die Fähigkeit des kompetenten Umgangs mit Computern. Jedoch beschränkt sich die notwendige kulturelle Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation der Informationsgesellschaft nicht darauf. Das Prestigeobjekt der Bundesregierung "Schulen ans Netz" ist zwar als ein erster Schritt zu begrüßen, wenn es dabei bleibt, ist es jedoch nicht mehr, als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Was nützt der Schule - wenn sie denn zu den Auserwählten zählt - ein Internet-Zugang, wenn die Schüler mit den Informationen nicht umgehen können, wenn die Lehrer nicht zur Vermittlung kultureller Medienkompetenz ausgebildet sind?

Wie der Kommunikationswissenschaftler Klaus Merten errechnet hat, vergrößerte sich in der Zeit von 1960 bis 1990 allein das Fernsehangebot um 1250%, das Informationsangebot des Hörfunks um 250%, das der Tagespresse um 260% und das der Zeitschriften um 1200%. Innerhalb einer Generation hat sich damit das Medienangebot um rund 3000% vergrößert, während die Rezeptionskapazität des Menschen dagegen nur unwesentlich wächst. (13) Mit den nun entstehenden neuen Medien, mit den neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten wird sich das Informationsangebot innerhalb weniger Jahre nochmals vervielfachen. Gegenwärtig wird die Größe des wohl bekanntesten Dienstes im Internet, des World-Wide-Web, auf mehrere Millionen Seiten geschätzt. Damit stellt sich die Frage, wie der Mensch mit einer derartigen Fülle von Informationen umgehen kann. Medienabstinenz oder Medienreduktion sind sicherlich nicht die richtigen Antworten. Vielmehr kommt es in Zukunft vor allem darauf an, aus dieser unendlichen Fülle von Daten Informationen von Wert herauszufinden und Informationen nach ihrer Glaubwürdigkeit und ihrem Wahrheitsgehalt zu hinterfragen.

Medienkompetenz setzt vor allem - auch wenn gleichzeitig immer wieder deren Untergang prophezeit wird - Lesefähigkeit voraus. Wie Professor Klaus Ring feststellte, haben wir es inzwischen mit einer ganz neuen Dimension des sekundären Analphabetentum zu tun: In den USA vermutet man heute 40 bis 50 Millionen sekundäre Analphabeten; in Deutschland sollen es drei bis vier Millionen sein; eine neuere Untersuchung in Frankreich ergab, daß etwa 20 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nur noch unzureichend lesen und schreiben können. (14) Lesekompetenz wird im Kindesalter geprägt, Lesefähigkeit hat enge Verbindungen mit der Sprache und dem Ausdrucksvermögen. Und hier sind die Zahlen, die Professor Ring angibt, noch erschreckender: Die Zahl der sprachentwicklungsgestörten Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren ist innerhalb von 10 Jahren von ca. 4 auf 24 bis 28 Prozent angestiegen. Oft werden dafür ausschließlich die Medien verantwortlich gemacht. Die Zahlen, die die Kommunikationswissenschaft vorgelegt hat, lassen jedoch eher vermuten, daß das Kommunikationsverhalten als ganzes - also die früh einsetzende Nutzung von Medien, die Kommunikation in der Familie, im Kindergarten und in der Schule - sich verändert hat. Die neuen Medien werden diese Tendenz eher verstärken.

Auf der anderen Seite bieten diese aber auch völlig neue Chancen. So kann man möglicherweise davon ausgehen, und gegenwärtig werden in Amerika dazu erste Untersuchungen durchgeführt, daß der kreative Umgang mit den neuen Medien die Sprach- und Ausdrucksfähigkeit fördern kann. Diese Vermutung liegt vor allem in der Tatsache begründet, daß die neuen Medien im Gegensatz zu den traditionellen Medien nicht nur auf den passiven Nutzer ausgerichtet sind, sondern von ihm notwendigerweise Interaktivität verlangen - wenn diese auch leider nur allzuhäufig auf seine Auswahlmöglichkeit beschränkt wird. Hier ist es Aufgabe der Politik, diese neuen Chancen interaktiver Medien zu erkennen und zu fördern, und nicht wie bisher ausschließlich auf die "schöne neue Multi-Media-Welt" und die gar nicht so revolutionären Möglichkeiten eines Entertainment-Highway abzuheben. Notwendig ist ein weiter gesellschaftlicher Dialog, der über die Chancen und Risiken, die dem Wandel zur Informationsgesellschaft innewohnen, aufklärt. Dieser Dialog sollte die Befürchtungen der Menschen ernst nehmen, in der Auseinandersetzung mit allen gesellschaftlichen Gruppen Leitbilder einer demokratischen und lebenswerten Gesellschaft formulieren und Möglichkeiten der Gestaltung entwickeln. Notwendig ist ein neuer Alphabetisierungsprozeß, der sozial marginalisierte Gruppen einbezieht, und ihnen so die freie Entfaltung ermöglicht. Notwendig ist darüber hinaus eine Bildungspartnerschaft zwischen Schulen, Unternehmen und Staat, die es der jungen Generation ermöglicht, die Schlüsselqualifikationen der Zukunft zu erwerben.

Kommen wir am Ende dieser Ausführungen noch einmal auf die Entscheidung des Bremer Rates aus dem Jahr 1790 zurück: Befindet die Politik sich heute nicht in einer vergleichbaren Situation wie der Bremer Rat? Wieder stellt sich die Aufgabe, mögliche Folgen neuer Medientechnologien abzuschätzen und Risiken zu minimieren. Wie der Bremer Rat laufen wir Gefahr, die eigentlich revolutionären Umbrüche, die mit den Auswirkungen des Buchdrucks durchaus vergleichbar sind, noch gar nicht erkennen zu können. Demokratie, Bildungswesen, die Infrastruktur der Öffentlichkeit bis hin zur Ausprägung von Identität - all das wäre ohne Buchdruck kaum denkbar gewesen. Im Unterschied zum Jahr 1790 stellen wir heute jedoch nicht die möglichen negativen Folgen des Lesens in den Mittelpunkt der Betrachtungen - und auch hier waren es vor allem Verflachung der Kultur und Vereinsamung, die Anlaß zur Sorge gaben -, vielmehr fragen wir, wie wir die Erosion des Lesens und damit die Erosion der Grundlagen der modernen Gesellschaft - verhindern können.

Inzwischen sollte deutlich geworden sein, daß die vorangegangenen Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Medien und Kultur keineswegs versuchen, mögliche Gefahren zu beschönigen oder gar hinwegzureden. Die hier gemachten Ausführungen sollten vor allem deutlich machen, daß die Entfaltung der Informationsgesellschaft keineswegs schicksalsgleich in den von der technologischen Entwicklung vorgegebenen Bahnen verläuft, sondern als ein gestaltungsoffener Prozeß begriffen werden muß. Mit einer solchen Perspektive wachsen die Chancen, diese Entwicklung in gewünschte Richtungen zu steuern. Die Ausführungen zum Komplex Medien und Kultur und die Beschreibung der gesellschaftskonstituierenden Bedeutung der Medien sollten deutlich machen, daß es bei der Gestaltung der Informationsgesellschaft nicht nur um die Kulturverträglichkeit dieser neuen Medien, sondern vielmehr um die Grundlagen der Gesellschaft von morgen geht. Eine Kommunikationsordnung der Zukunft - die Medien- und Telekommunika-tionspolitik ebenso einschließt wie Bildungs- und Technologiepolitik - muß Strukturen schaffen, die es den Bürgen ermöglicht, das erweiterte Potential an Wissen, Erfahrungen und Lebensentwürfen zu nutzen. Auch die sich abzeichnende neue Gesellschaftsformtion, gleich ob sie nun mit Begriffen Informations-, Wissens- oder Kommunikationsgesellschaft etikettiert wird, muß eine offene Gesellschaft sein, mit einer Informations-Infrastruktur, die die freie, kommunikative Entfaltung ermöglicht.

Lassen Sie mich am Schluß noch einmal auf das eingangs erwähnte Gespräch auf der Frankfurter Buchmesse zurückkommen: Gutenberg beendet das Gespräch, bevor Gates - wie der Berichterstatter Updike beobachtet - mit einem Zischen in sich zusammensinkt, mit der Feststellung: "Ihr sprecht von diesem weltumspannenden Internet, als reichte es über das menschliche Gehirn hinaus. Aber der Mensch ist noch immer das Maß aller Dinge." Damit das so bleibt, gilt es, die Herausforderung der Technik anzunehmen, gesellschaftliche Visionen und Leitbilder zu formulieren und Gestaltungskonzepte zu entwickeln, um so der Reise eine Richtung geben zu können.

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit einem Gruß, den man im Internet immer häufiger antrifft - der zwar die vielen berechtigten Ängste und Unsicherheiten nicht aufhebt, aber für das hier angesprochene Thema "Lesen in der Informationsgesellschaft" Anlaß zur Hoffnung gibt: "Man liest sich!".

  1. John Updike: Das Maß aller Dinge. Bill Gates im Gespräch mit Johannes Gutenberg. In: Spiegel special. Die Multimedia-Zukunft. 3/1996:

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