Jörg Tauss, MdB


[Übersicht]   03.05.2002

Abdruck eines Interviews des ASTA der Uni Köln mit Jörg Tauss

Am vergangenen Freitag, dem 26.04.2002 hat der Bundestag aller Voraussicht nach die sechste HRG-Novelle beschlossen (Abstimmungsergebnis bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt). In diesem Gesetz geht es unter anderem um die Frage nach den Studiengebühren. Die Bundesregierung will das Erststudium gebührenfrei halten. StudierendenvertrerInnen werfen ihr jedoch vor, dass das Gesetz mehr Ausnahmen als Regeln enthalte. So werden weder Langzeitgebühren noch Studienkonten ausgeschlossen. Auch Prüfungs- und Einschreibegebühren können die Länder weiterhin erheben (wir haben in der „Rückmeldung“ berichtet). Aus diesem Anlaß haben wir mit Jörg Tauss, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, gesprochen. Er ist maßgeblich am Gesetzgebungsprozess beteiligt gewesen. Das Interview führten Jana Schultheiss und Klemens Himpele.

Rückmeldung:
Was bringt die von Ihnen beschlossene HRG-Novelle für die Studierenden?

Tauss:
Vor allem verlässliche Rahmenbedingungen. Studierende und deren Eltern brauchen vor Aufnahme eines Studiums Klarheit, dass sie nicht in den nächsten Jahren mit zusätzlichen Kosten durch Studiengebühren belastet werden. Mit der vorliegenden Regelung stellen wir sicher, das für ein Studium bis zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss sowie für ein Studium in einem konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, keine Gebühren erhoben werden. Und die verfassten Studierendenschaften bekommen bessere Grundlagen für deren Arbeit und werden endlich ordentlich im HRG verankert.

Rückmeldung:
Die HRG-Novelle sieht viele Ausnahmeregelungen vor, so dass die Studierendenvertreter die bundesweite Einführung von Langzeitgebühren oder Studienkonten befürchten. Warum konnte ein generelles Gebührenverbot nicht festgeschrieben werden?

Tauss:
Dafür haben wir eben keine verfassungsrechtliche Grundlage. Wir können im Bund lediglich Rahmenbedingungen setzen und hierfür war es jetzt auch höchste Zeit. Niemand weiß, was vor allem die CDU- Länder künftig treiben wollen. Doch wir können vom Bund her Baden - Württemberg eben nicht verbieten, beispielsweise für Langzeitstudierende Gebühren zu erheben. Wegen der Zuständigkeit der Länder ist es uns seitens des Bundes schlicht nicht möglich, bereits bestehende Studiengebührenmodelle zu „kippen“. Dies wird leider auch von manchen Jura - Erstsemestern nicht recht begriffen. Wir haben die einzige verfassungsrechtlich vorhandene Möglichkeit ergriffen, die für eine Gebührenfreiheit notwendigen Dämme zu errichten. Da die ärgerliche Propagandakampagne des fzs aber gerade mal 300 überwiegend anonyme Protest- eMails an mich bewirkte, habe ich den Eindruck, dass dies von der Mehrheit der Studierenden durchaus verstanden wird.

Rückmeldung:
In einer Pressemitteilung des Bundesministeriums heißt es, dass mit der HRG-Novelle Studiengebühren im Erststudium ausgeschlossen sind. Glauben Sie nicht, dass das Gesetz in der beschlossenen Form den Ländern als Argument dient, Studienkonten oder Langzeitgebühren einzuführen?

Tauss:
Nein. Schließlich haben wir die Langzeitgebühren seit Jahren und die Proteste dagegen blieben erfolglos. Und selbstverständlich wollten und können wir auch auf Wunsch des Koalitionspartners neue und intelligentere Überlegungen nicht blockieren. Im übrigen werden gerade bei diesen Modellen Engagement in der Gremienarbeit, natürlich Kindererziehung oder sonstige biografischen Umstände bis hin zu Teilzeit- und Auslandsstudienzeiten und Weiterbildung Berücksichtigung finden. Der simple Vergleich von Studienkonten und Langzeitgebühren ist für mich nicht haltbar.

Rückmeldung:
1998 hat die Kohl-Regierung die vierte HRG-Novelle verabschiedet. In der Debatte forderte Edelgard Bulmahn die CDU/CSU-FDP-Koalition auf, ein generelles Gebührenverbot festzuschreiben. Warum ist sie jetzt als Ministerin nicht in der Lage, ihre eigenen Forderungen umzusetzen?

Tauss:
In sechs Jahren ändern sich eben leider gelegentlich Mehrheiten in den Bundesländern. Nach Sachsen- Anhalt wird es noch komplizierter. Aber nochmals: Ein generelles Studiengebührenverbot kann lediglich in Übereinstimmung mit den Ländern durchgesetzt werden. Die Option hierfür war 1998 durchaus noch offen. Diesen Weg hätten wir gehen können, wenn mit den Ländern der beabsichtigte Staatsvertrag abgeschlossen worden wäre. Und dieser ist nicht an Bulmahn, sondern an Baden- Württemberg und Bayern, gescheitert.

Rückmeldung:
Die SPD – der sie ja angehören – hat auf ihrem letzten Bundesparteitag beschlossen, Studiengebühren generell abzulehnen. Ähnliches steht im Koalitionsvertrag mit den Grünen. Ist das Gesetz nicht ein Bruch mit den Forderungen der SPD?

Tauss:
Auch ein Parteitagsbeschluss kann lediglich Wünsche formulieren, aber leider nicht die Welt und die Realität und vor allem nicht Wahlergebnisse aushebeln. Dennoch war das klare Signal des Parteitags natürlich wichtig. Dass ich den Beschluss jedoch so nicht für umsetzbar gehalten habe, wurde von mir auf dem Parteitag auch klar und vor der Abstimmung gesagt. Die Alternative wäre eben kein Gesetz. Und vor diesem Irrweg warne ich entschieden.

Rückmeldung:
Bekanntlich sind im September Bundestagswahlen. Die SPD hat im bildungspolitischen Bereich manche aus Sicht der Studierendenvertretungen richtig Ansätze verfolgt, aber dennoch kein einziges Wahlversprechen eingehalten. Weder die BAFöG-Strukturreform noch ein generelles Gebührenverbot konnte durchgesetzt werden. Glauben Sie, dass die SPD so die Wahlen an den Hochschulen gewinnen kann?

Tauss:
Selbstverständlich. Denn niemand, der sich auch nur einigermaßen seriös mit den hochschulpolitischen Erfolgen der SPD- geführten Bundesregierung beschäftigt hat, kann die Behauptung nicht eingehaltener Wahlversprechen nachvollziehen. Das neue BAFöG ist eine Erfolgsstory. Bildungsdarlehen sind ein neues zusätzliches Instrument. Den Finanzierungsstau der alten Regierung beim Hochschulbau haben wir aufgelöst- 20% mehr trotz Sparprogrammen. Und somit insgesamt über 20% mehr Geld für Bildung und Forschung in Deutschland. Mit der Dienstrechtsreform und Juniorprofessur können endlich auch jüngere Leute schneller wissenschaftliche Karrieren beginnen - die Besten werden nicht mehr in Ausland getrieben. Welche Regierung war in den letzten 20 Jahren eigentlich erfolgreicher? Ich gehe bei allen Widrigkeiten nach diesen vier Jahren eigentlich nur noch mit stolzgeschwellter Brust durch die Unis.

Rückmeldung:
Herr Tauss, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


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