Zu Behauptungen Bundeskanzler Kohls, die Bundesregierung habe bei der Bekämpfung von Pornografie mit Kindern ihre "Hausaufgaben gemacht" erklärt der SPD- Bundestagsabgeordnete und Internet - Experte der SPD - Bundestagsfraktion:
Bedauerlicherweise wird das Kinderpornoproblem wieder einmal als Problem des Internet und nicht als Problem der Strafverfolgung begriffen.
Vor allem bei der internationalen Durchsetzung nationalen Rechts und bei der Strafverfolgung von Tätern im Ausland gibt es gravierenden Handlungsbedarf. Jahrelang hat die Bundesregierung, unterstützt von einer aufgeregten Berichterstattung, den Eindruck erweckt, als sei das Problem der Pornographie mit Kindern vorwiegend ein Internet - Problem. Dies zeigt auch die erste, völlig am Sachverhalt vorbeigehende, Stellungnahme Frau Noltes, wonach das Internet "kein rechtsfreier Raum" sei. Das Internet war zu keinem Zeitpunkt ein rechtsfreier Raum. Mit dem Internet wurde nur die Spitze des Eisbergs sichtbar, während der Postversand einschlägigen Materials weniger spektakulär war. Daß das Problem des Mißbrauchs von Kindern nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit aufgegriffen wurde, zeigt allein die Tatsache, daß sich noch vor wenigen Jahren ein aktenbekannter Kinderschänder seiner Strafverfolgung in Manila durch Ausstellung eines Passes durch die deutsche Botschaft entziehen konnte und Auslieferungsanträge der deutschen Justiz für Kinderschänder eher schleppend laufen. Internationale Bemühungen gibt es vor allem zur Überwachung des Internet, während keine Initiativen ergriffen wurden, die Durchsetzung von Amtshilfeersuchen in diesem Bereich zu verbessern. Durch ihre Fixierung auf Datennetze haben leider auch Kinderschutzorganisationen den Eindruck erweckt, als seien diese das zentrale Problem. Die Folgen zeigen sich jetzt in der Rechtsprechung an der falschen Stelle, wie das Beispiel des Verurteilung des ehemaligen Compuserve- Geschäftsführers in München wegen "Pornografie" beweist. So stehen nicht die eigentlichen Täter im Mittelpunkt der politischen und öffentlichen Aufmerksamkeit. Vielleicht ergibt sich jetzt endlich die Chance, dies zu ändern. Organisierte Pornografie mit Kindern ist bei uns kein Verbrechenstatbestand wie organisierter Drogenhandel. Zum Schutz der Opfer ist deshalb vordringlich die Möglichkeit für die Polizei zu schaffen, bis hin zum Lauschangriff und dem Einsatz verdeckter Ermittler die Konsumenten und Hersteller des widerwärtigen Materials zu belangen. Nicht mehr der Briefträger sondern der Absender und der Empfänger des Materials muß das Ziel der Ermittler sein. Zur Aufdeckung des organisierten Mißbrauchs von Kindern muß die Polizei Instrumente der Strafverfolgung wie bei der Bekämpfung organisierter Drogenkriminalität bekommen. Noch wird der Besitz von Drogen härter bestraft als der Besitz von Kinderpornos. Das muß sich ändern. Allein durch Selbstzufriedenheit des Kanzlers wird sich aber nach den schlimmen Vorgängen wieder nichts ändern. Keinesfalls sind alle Hausaufgaben gemacht.