18. November 1999 - 826
SPD-Bundestagsfraktion begrüßt Freispruch von Somm
Der Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für "Neue Medien" der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, erklärt zu dem am Mittwoch im Berufungsverfahren vor dem Landgericht München I ergangenen Freispruch des ehemaligen Geschäftsführers des Online-Dienstes Compuserve, Felix Somm:
Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt den Freispruch von Felix Somm vom unberechtigten Vorwurf einer Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Das Landgericht München I hat damit endlich klargestellt, dass der ehemalige Geschäftführer der CompuServe GmbH nicht für die rechtswidrigen Inhalte auf den News-Servern der amerikanischen Muttergesellschaft verantwortlich war. Anders noch im Mai 1988 Amtsrichter Hubbert, der Somm in einem empörenden Fehlurteil zu zwei Jahren auf Bewährung und 100.000 Mark Geldstrafe verurteilt hatte, zur großen Überraschung von Verteidigung und Staatsanwaltschaft, die - damals wie heute - übereinstimmend (!) Freispruch forderten.
Dass dieses weltweit kritisierte und für unser Land schädliche Urteil am Mittwoch in einem Berufungsverfahren nun endlich aufgehoben wurde, bedeutet mehr als nur späte Genugtuung für den Angeklagten: Es könnte der Beginn einer Rechtsprechung sein, in der die Gerichte die Strukturen des Internets zu verstehen beginnen und das geltende Recht korrekt darauf anwenden. Dass die Verbreitung von Kinderpornographie auch im Internet mit aller Härte verfolgt und bestraft werden muss, daran besteht für die SPD keinerlei Zweifel. Nur sind die Internet-Provider, die lediglich den Zugang zum Internet vermitteln, nicht für fremde Inhalte verantwortlich zu machen. Indem ein Gericht hierin erstmals der Wertung des Gesetzgebers aus dem TelediensteGesetz gefolgt ist, hat es zugleich ein Stück Rechtssicherheit für die Unternehmen der Informations- und Kommunikationsbranche geschaffen.
Allerdings zeigt das Urteil auch, dass die mit dem Teledienstegesetz erhoffte Rechtssicherheit sich erst am Ende einer langen Reihe von Prozessen und Urteilen einstellen könnte. Solches würde dem Internet-Standort Deutschland großen Schaden zufügen. Die Bundesregierung handelt daher klug, das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz einer fortdauernden Evaluation zu unterziehen und den gesetzgeberischen Willen wo nötig noch klarer zu verdeutlichen. Dabei ist zu akzeptieren, dass das Kommunikationsgeschehen im Internet national nicht wirksam kontrolliert werden kann. Versuche, das Ohnmachtsgefühl des Nationalstaats im globalen Internet damit zu mildern, die in Deutschland niedergelassenen Internet-Provider mit dem "ausfiltern" von strafbaren Inhalten oder ähnlichem zu belasten, überfordert diese nur, ohne aber die erwünschte Wirkung zu entfalten. Nationale Lösungen, die den deutschen Teil des Internets mit einer virtuellen Sperrmauer gegen schädliche Inhalte aus dem Ausland abschotten wollen, sind aufgrund der Struktur des Netzes von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Die Wirkungslosigkeit "nationaler Firewalls" darf allerdings nicht als Kapitulation des Rechts vor dem Internet verstanden werden. Die Akzeptanz der Gegebenheiten bietet vielmehr die Chance, statt unsinniger Alibi- und Symbollösungen wirksame Lösungsansätze zu verfolgen. Solche erfordern Internationalisierung, Kooperation und eine verstärkte Verantwortung der Bürger. Für solche Lösungen setzt sich die SPD-Bundestagsfraktion auch in Zukunft ein.