Jörg Tauss, MdB


Veranstaltung des DIHT (und anschließende Pressekonferenz) am 20. Mai 1999, 10.15 – 13.00 Uhr im Großen Saal des DIHT, Adenaueralle 148, in Bonn zum Thema:

"ENFOPOL: Droht die umfassende Überwachung der Datenkommunikation?"

Jörg Tauss: Sicherheitsgefährdung durch überzogene Sicherheit?

Der stellvertretende forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, spricht sich auf der DIHT-Veranstaltung „ENFOPOL: Droht die umfassende Überwachung der Datenkommunikation“ für einen umfassenden und konstruktiven Dialog zwischen Politik, Sicherheitsbehörden, Wirtschaft und Wissenschaft aus und fordert endlich Transparenz der Entscheidungsstrukturen und –prozesse bei der Entwicklung neuer Eingriffsbefugnisse für die Sicherheitsbehörden. Werden die bislang geplanten Konzepte umgesetzt, steht zu befürchten, daß die Bürgerrechte in weit überzogenem Maße eingeschränkt, der Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet und Wirtschaftskriminalität gefördert werden.

Mit der heutigen Veranstaltung, die vom DIHT ausgerichtet wird, ist endlich eine längst überfällige Debatte über die neuen Gefährdungen sowie die sicherheitspolitischen Entwicklungen in der (globalen) Wissens- und Informationsgesellschaft eröffnet. Die zunehmende Bedeutung der neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten in allen gesellschaftlichen Bereichen bringt – und das ist unumstritten - auch eine Reihe neuer Gefährdungen und Bedrohungen mit sich. Vor allem die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung sowie die neuen Möglichkeiten des „Spurenverwischens“, beispielsweise durch die Nutzung kryptographischer und steganographischer Verfahren, stellt die Sicherheitsbehörden vor grundsätzlich neue Herausforderungen. Das kann aber nicht zur Folge haben, daß die Eingriffsbefugnisse der Sicherheitsbehörden – und noch dazu geradezu konspirativ unter Ausschluß der Öffentlichkeit – immer weiter und über das Ziel hinaus ausgeweitet werden. Natürlich ist es notwendig, um auch dies klar zu sagen, die Sicherheitsbehörden in die Lage zu versetzen, Kriminalität auch in den Datennetzen effektiv zu verfolgen. Eine Übertragung der für die Überwachung des „klassischen“ Telefonverkehrs entwickelten Konzepte auf globale Datennetze, wie dies derzeit auf europäischer Ebene vorbereitet wird, hätte jedoch fatale Folgen. Damit stünde nicht nur die umfassende Überwachung der Datenkommunikation auf der Tagesordnung, vielmehr werden mit diesen Überwachungsschnittstellen Sollbruchstellen erst aufgebaut, die zu (Computer-) Kriminalität und Wirtschaftsspionage geradezu einladen.

Neue technische Entwicklungen verlangen jedoch auch neue politische Konzepte. Notwendig ist also auch bei der Kriminalitätsbekämpfung in den Datennetzen eine Abwägung zwischen den Interessen der inneren Sicherheit, der Bewahrung von Bürgerrechten und den Möglichkeiten der wirtschaftlichen Entfaltung. Hierzu ist dieser Dialog zwischen Politik, Sicherheitsbehörden, Wirtschaft und Wissenschaft – und hier sind vor allem die Rechtswissenschaft und die Informatik zu nennen – ein wichtiger erster Schritt. Die Sicherheitsbehörden sind aufgefordert, in einer weniger emotionalen, sondern öffentlichen und sachlichen Diskussion ihre Probleme und die aus ihrer Sicht notwendigen Eingriffsbefugnisse zu formulieren; Wirtschaft und Wissenschaft sind aufgefordert, damit möglicherweise einhergehende Probleme zu benennen.


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