Jörg Tauss, MdB


"Kein Stein wird auf dem anderen bleiben"

Anforderungen des e-Commerce an die Politik

Von Jörg Tauss

Mit den Chancen und Risiken auf dem Weg in die globale Wissens- und Informationsgesellschaft setzt sich der Bericht der Enquete-Kommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" des 13. Deutschen Bundestages auseinander. "Kein Stein wird auf dem anderen bleiben", meint die Enquete-Kommission, und hat eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen. Einige davon hat die neue Bundesregierung in ihrem Aktionsprogramm zur Zukunft der Informations- und Wissensgesellschaft (www.iid.de) bereits aufgegriffen.

Eine neue Organisation der Wirtschaft
Die neuen Medien werden die Gesellschaft in all ihren Teilbereichen kräftig "umkrempeln". Das gilt gerade auch für die Frage, wie wir in Zukunft unsere Wirtschaft organisieren und arbeiten werden. Vor diesem Hintergrund sind Überlegungen, wie die Anforderungen der neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten an die Politik im Zusammenhang mit dem Entstehen "Elektronischer Märkte" und der wachsenden Bedeutung des e-Commerce aussehen sollen, von großer Bedeutung.

Wenn man sich auf der CeBIT oder jetzt auf der Internet World umschaut, so kann man zu Recht zu dem Eindruck gelangen: Die Informations- und Wissensgesellschaft hat schon längst begonnen, und Deutschland ist hier bei diesem knallharten weltweiten Wettbewerb auf gutem Wege. Fragt man dagegen, ob und inwieweit in Deutschland der Weg in diese neue Gesellschaftsformation geebnet (oder auch nur darauf vorbereitet) ist, so ergibt sich hinsichtlich der medien- und kommunikationspolitischen Aktivitäten und Voraussetzungen in Deutschland ein noch nicht ganz so zufriedenstellendes Bild.

Plädoyer für eine neue Medien- und Kommunikationspolitik
Noch immer ist es in Deutschland und Europa nicht gelungen, ein tragfähiges und zukunftsgerichtetes Konzept einer umfassenden Medien- und Kommunikationsordnung zu entwerfen, das den Anforderungen einer globalen Wissens- und Informationsgesellschaft angemessen wäre. Vielmehr werden häufig alte Schlachten um das längst entschiedene Nebeneinander von privatem und öffentlichem Rundfunk geschlagen.

Zeitalter der nicht nur technischen Konvergenzen
Und noch immer ist nicht überall begriffen worden, daß wir längst im Zeitalter der Konvergenz mit neuen Anforderungen an eine "informationelle Grundversorgung" angekommen sind. Technologische, rechtliche und soziale Räume, die sich bisher eigenständig entwickelt haben, wachsen zusammen. Informationstechnologie, Telekommunikation und die Rundfunk- und Fernsehtechnologie werden in absehbarer Zeit zu einen umfangreichen multimedialen Angebot verweben.

Aber nicht nur die Technologien rücken zusammen, auch die Anbieter und Nutzer der Technologien finden sich wieder in einem gemeinsamen Beziehungsgefüge, dessen äußere Begrenzungen lediglich auf das Globale festgelegt sind: die globale Wissens- und Informationsgesellschaft - eine Entwicklung, die immense Herausforderungen an das politische System mit sich bringt, genauso wie die gigantischen Konzentrations- und Verschmelzungsprozesse in der Wirtschaft.

Tradierte Medienkonzepte helfen nicht mehr
In Deutschland haben wir diese Situation je nach Standort bestaunend, kritisierend, argwöhnisch, manchmal auch ängstlich oder euphorisch zur Kenntnis genommen, gleichwohl aber bislang an den vertrauten "Schachtelpolitiken", wie dies Peter Glotz nannte, festgehalten. So wurde versucht, mit alten Konzepten auf neue Herausforderungen zu reagieren, indem man den neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten tradierte Medienordnungskonzepte einfach überstülpte, obwohl sich diese bereits bei den "klassischen" Medien zunehmend als fraglich erwiesen.

Die Grenzen nationaler Regelungen
Nationale Regelungen stoßen angesichts der Internationalisierungs - und Globalisierungstendenzen zunehmend an Grenzen. Die Abgrenzungsprobleme zwischen den jeweiligen Regelungswerken (beispielsweise zwischen Telekommunikationsgesetz (TKG), Teledienste-Gesetz (TDG) und Mediendienste-Staatsvertrag) führen gerade für kleine, innovative Unternehmen zu Rechtsunsicherheit.

Wichtige Fragestellungen, die für die sich entfaltenden Wissens- und Informationsgesellschaft und für ihre demokratische Verfassung oder die ökonomische Entwicklung oft von fundamentaler Bedeutung sind, sind bei dieser Herangehensweise oft gar nicht erst in den Blick gerückt. So blieben beispielsweise die Schaffung einer angemessenen Sicherungsinfrastruktur oder die Fragen der IT-Sicherheit und des Datenschutzes viel zu lange unterbewertet. Erst jetzt, nach dem Jahr 2000-Problem, auch wenn es glimpflich ausgegangen ist, werden in Deutschland die Probleme verstärkt diskutiert. Stichworte hierfür sind die lächerliche Kampagne "Kinder statt Inder" oder das Aufheulen angesichts von Viren auf Liebesbriefen.

Eine der wichtigsten Herausforderungen an die Politik
Zu den wichtigsten Aufgaben, mit denen sich eine verantwortungsvolle Politik konfrontiert sieht - und ein großer Teil hiervon wurde von der Enquete-Kommission "Zukunft der Medien" der letzten Legislaturperiode im Konsens als Empfehlung an das Parlament verabschiedet - zählen insbesondere die Einsicht, daß die Schaffung einer IT-Sicherungsinfrastruktur eine der wichtigsten Herausforderungen an die Politik bei der Gestaltung der Wissens- und Informationsgesellschaft darstellt. Dies gilt sowohl mit Blick auf die notwendige Entfaltung neuer Märkte als auch mit Blick auf die Bewahrung der Grundrechte.

Digitale Signatur und Kryptopolitik
Mit dem Gesetz zur Einführung einer digitalen Signatur und mit den Eckwerten zur zukünftigen Kryptopolitik hat Deutschland dahingehend durchaus wichtige Schritte unternommen. Die neuen Technologien erzwingen geradezu eine umfassende Reform und Modernisierung des Datenschutzrechtes und anderer Regelungswerke. Die Modernisierung des Datenschutzrechtes erweist sich nicht nur mit Blick auf die Bewahrung von Grundrechten erforderlich. Datenschutz (und Datensicherheit) wird zunehmend zu einem entscheidenden Qualitätsmerkmal der neuen Angebote und damit - zumindest mittelfristig - zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Ein "Digital Divide" könnte den e-Commerce hemmen
Neue Fragen des Informationszugangs werden darüber entscheiden, ob es eine neue Spaltung der Gesellschaft geben wird. Ein "Digital Divide" könnte zu einem Hauptproblem der Entwicklung des e-Commerce werden, genauso wie eine Verunsicherung von Bürgern und Wirtschaft durch überzogene Überwachungsregelungen oder unüberlegte Debatten über Filtersoftware.

Besteuerung von e-Commerce
Wichtig ist, daß gegenwärtig die Debatte über die Besteuerung von e-Commerce ebenso wie die Erhebung von Rundfunkgebühren für einen PC auf die Fachleute-Ebene gehoben ist, und Verunsicherungen mit immer neuen Vorschlägen ausbleiben. Dennoch muß natürlich die Frage akzeptiert werden, mit welchen Mitteln Staaten die Finanzierung öffentlicher Aufgaben auch im Zeitalter des Internet sicherstellen können. Auch hierzu bedarf es aufgrund fundierter Vorschläge durchaus öffentlicher Debatten, die über Industrie - oder G 8 - Zirkel hinausgehen.

Initiative D 21 sucht Lösungsvorschläge
Es ist äußerst erfreulich, daß die neue Bundesregierung mit der Initiative D 21 ein Forum gefunden hat, in dem sich Wirtschaft und Politik begegnen und Lösungsvorschläge vom Thema Ordnungsrecht bis zur überfälligen Ausstattung der Schulen mit PC vorbereitet werden können. Das oben angesprochene Aktionsprogramm ist als ein entwicklungsoffener Prozeß konzipiert. Um Mitarbeit und Unterstützung in der gesamten Gesellschaft muß verstärkt geworben werden.


Jörg Tauss (46), MdB (SPD) gehört im Deutschen Bundestag zu den Pionieren des Internet. Er ist Forschungspolitiker seiner Fraktion, Beauftragter für Medienfragen und gleichzeitig Vorsitzender des neuen Bundestagsquerschnittsauschusses für "Neue Medien".
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