"Wir machen Multimedia möglich" - mit diesen Worten wurde der Entwurf für das Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz des Bundes vorgestellt, welches heute vom Bundestag in 1. Lesung beraten wird. Dieses Gesetz schlage - so glaubt zumindest Zukunftsminister Dr. Jürgen Rüttgers - eine "Schneise für Multimedia" und lasse Deutschland "weltweit zum Schrittmacher in der Zukunftswerkstatt" aufsteigen.
Jedoch, das Gegenteil ist der Fall: Die bahnbrechende "Schneise" entpuppt sich bei genauerer Betrachtung eher als Kahlschlag: Multimedia wird mit diesem Gesetz nicht möglich gemacht sondern verhindert, Rechtsunsicherheiten werden nicht beseitigt sondern vervielfacht und Investitionssicherheit wird allenfalls im Ausland geschaffen.
Die wichtigsten Zielsetzungen des Gesetzes sollten es sein, einheitliche Rahmenbedingungen für die mit dem Schlagwort "Multimedia" gekennzeichneten neuen Informations- und Kommunikationsdienste zu schaffen, um so bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und den Medienstandort Deutschland auf die sich entfaltende Informationsgesellschaft vorzubereiten. Durch die enge Verzahnung des IuKDG mit dem Mediendienste- Staatsvertrag der Länder sollten Kompetenzen gebündelt, eindeutige Regeln und Ansprechpartner für die junge Wachstumsbranche benannt werden.
So notwendig es ist, unser Recht an die veränderten technischen und gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen und so sinnvoll und nötig ein abgestimmtes Vorgehen mit den Ländern in dieser Sache grundsätzlich ist: Der nun vorgelegte Gesetzentwurf wird der komplexen Materie nicht gerecht. Er gibt insbesondere den Nutzern und Anbietern des wichtigen Zukunftsmediums Internet allen Anlaß zur Sorge.
Problematisch ist vor allem das Festhalten an tradierten Medienordnungskonzepten. Der Versuch, die Neuen Medien in den alten Dualismus Massen- vs. Individualkommunikation zu pressen, ist jedoch bereits unter heutigen Bedingungen als überholt anzusehen und angesichts der Dynamik medientechnologischer Entwicklung und der fortschreitenden Konvergenz zwischen Medien- und Telekommunikation zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Der einzig wirklich innovative Bestandteil des Gesetzespaketes, das Gesetz zur digitalen Signatur, ist jedoch angesichts der tiefgreifenden Veränderungen, die sich daraus für die bisherige Rechtskultur ergeben werden und angesichts der noch vielen offenen Fragen, die über die technischen Regelungen weit hinausreichen, noch nicht annähernd ausgereift.
Die entstehenden Rechtsunsicherheiten, beispielsweise im Bereich des Jugendschutzes und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, werden sich in einem dynamischen, internationalen Feld wie dem Internet im Ergebnis vor allem als mittelstandsfeindlich erweisen. Den jungen Unternehmern fehlt der Atem, darauf zu warten, bis die Gerichte die Grundentscheidungen nachgeholt haben, vor denen sich der Gesetzgeber gedrückt hat.
Und während die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf noch immer als "Schneise für Multimedia" und die Schrittmacherrolle Deutschlands feiert, läuft die hysterische Strafverfolgung auf Hochtouren. Auf der CeBIT in Hannover fand man auf Seiten der Zukunftsbranche Multimedia kaum einen Gesprächspartner, der nicht im Interesse strafrechtlicher Ermittlungen stand; gestern wurde gegen den Geschäftsführer von CompuServe Felix Somm Anklage erhoben.
Rechtsunsicherheit als Programm - die vielgepriesene "Schneise für Multimedia" erweist sich als Kahlschlag für die mittelständische Wirtschaft, für die die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern die Verantwortung haben. Die SPD- Bundestagsfraktion kann dies nicht mittragen.
mö & jk/18.04.97